RVG §§ 1 Abs. 3, 60 RVG VV Nr. 3106
Leitsatz
Eine Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV i.d.F. bis 31.7.2013 fällt auch in analoger Anwendung der Nr. 3104 VV nicht an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Für solche Altfälle ändert auch nichts die ab 1.8.2013 geltende Fassung der Nr. 3106 VV.
LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.7.2014 – L 5 SF 167/14 B E
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war der Klägerin im Verfahren vor dem SG im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Das Verfahren endete ohne eine mündliche Verhandlung durch Vergleich mit entsprechendem Feststellungsbeschluss unter Hinweis nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO.
In seiner Kostenrechnung hat der Beschwerdeführer die Festsetzung von 690,20 EUR für das Klageverfahren beantragt:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
190,00 EUR |
Post- und Telekommunikationsentgelte, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
110,20 EUR |
Gesamtsumme |
690,20 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat lediglich folgende Vergütung festgesetzt:
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 i.V.m. 1000 VV |
190,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7001, 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
72,20 EUR |
Gesamtbetrag |
452,20 EUR |
Zur Begründung ist ausgeführt, die Terminsgebühr könne nicht entstehen, da ein Vergleich geschlossen worden sei. Mit der (fiktiven) Terminsgebühr wolle der Gesetzgeber nur die unstreitigen Erledigungen fördern, die in dieser Nummer ausdrücklich aufgeführt seien. Hierzu gehöre der Vergleich nicht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Beschwerdeführers mit der Begründung, die Nr. 3106 VV sei im Lichte des Art. 3 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie wie die Vorschrift der Nr. 3104 VV die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr in Fällen des Schriftsatzvergleiches zulasse, da kein Grund dafür ersichtlich sei, die sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Wertgebühren entstünden und für die deshalb nach Nr. 3104 VV fiktive Terminsgebühren entstünden, anders zu behandeln als die sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstünden. Bei der gleichwohl im Wortlaut unterschiedlichen Normierung der beiden Fälle handele es sich um ein gesetzgeberisches Versehen. Dies folge aus der eindeutigen Aussage in der Begründung des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, wo der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass es sich bei der bisherigen Gesetzesfassung um eine missverständliche Regelung handele. Die Neufassung des Gesetzes habe also insoweit lediglich klarstellende Funktion. Die bisherige Rspr. sei überholt und nicht mehr zu halten. Der Kostenprüfungsbeamte hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt unter Hinweis auf die Rspr. des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen LSG.
Das SG hat die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, ebenfalls mit Hinweis auf die Rspr. des Schleswig-Holsteinischen LSG v. 14.11.2007 (L 1 B 513/07 R SK) und Teile der Entscheidung wörtlich zitiert. Andere LSG würden ebenso entscheiden. Zwar sei die Nr. 3106 VV durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung ab 1.8.2013 geändert worden. Diese Regelung sei jedoch wegen der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die anwaltliche Beiordnung vor dem 1.8.2013 erfolgt sei.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 1 Abs. 3 RVG in der Fassung ab 1.8.2013 gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Aufgrund dieser Ergänzung des § 1 RVG findet die bisherige Rspr. des Senats, nach der wegen des abschließenden Normengefüges der §§ 172 ff. SGG die Beschwerde an das LSG gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen ist (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 26.1.2011 – L 1 B 266/09 SF E, m.w.Nachw.), keine Anwendung mehr. Da die Ergänzung des § 1 RVG um den Abs. 3 mit Wirkung ab 1.8.2013 gilt, findet diese Neuregelung auch auf den vorliegenden Fall Anwendung, da der Beschluss des Sozialgerichts auf den 6.5.2014 datiert.
Die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Diese Regelung findet jedoch allein auf die Gebührenregelung Anwendung, nicht auf sonstige Regelungen. Dies verdeutlicht der Wortlaut der Vorschrift, der nur von der "Berechnung der Vergütung" spricht. Verfahrensvorschriften wie etwa § 1 Abs. 3 RVG werden daher v...