Leitsatz
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit richtet sich bei einem infolge eines Unfalls eingetretenen Totalschaden am Fahrzeug nach der Höhe des Schadens zum Unfallzeitpunkt. Daher ist auf den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs abzustellen, ohne dass ein zu realisierender Restwert abzuziehen ist.
LG Aachen, Urt. v. 18.12.2014 – 10 O 308/14
1 Sachverhalt
Das Fahrzeug des Klägers war in einen Verkehrsunfall verwickelt und hatte einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten. Der Wiederbeschaffungswert wurde mit 7.075,00 EUR und der Restwert mit 800,00 EUR ermittelt. Der Kläger berechnete daraufhin seinen Schaden wie folgt:
- Wiederbeschaffungswert |
7.075,00 EUR |
- Restwert |
-800,00 EUR |
- Sonstige Schadenspositionen |
2.463,91 EUR |
Gesamt |
8.738,91 EUR |
Nachdem dieser Betrag nicht gezahlt wurde, klagte der Kläger diese Forderung ein, zuzüglich vorgerichtlicher Kosten in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr aus 9.538,91 EUR (8.738,91 EUR + 800,00 EUR) nebst Auslagen und Umsatzsteuer, insgesamt 887,03 EUR.
Nach Klageeinreichung zahlte der Beklagtenversicherer den Sachschaden in voller Höhe. Auf die vorgerichtlichen Kosten zahlte er einen Betrag in Höhe von 808,13 EUR. Er war der Auffassung, bei der Bemessung des Gegenstandswertes sei der Restwert in Höhe von 800,00 EUR abzuziehen, so dass sich der Erledigungswert nur auf 8.738,91 EUR belaufe.
In Höhe der Zahlungen wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht hat den Beklagtenversicherer verurteilt, auch die restlichen vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 79,90 EUR zu zahlen.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Freistellung von der restlichen Gebührenforderung der Rechtsanwälte von 78,90 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, §§ 286 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB. Der Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten bestand ursprünglich in Höhe von 887,03 EUR und ist in Höhe von 808,13 EUR durch Erfüllung erloschen. Die vorgerichtliche Gebührenforderung setzte sich aus einer 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV, einer Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV sowie 19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV zusammen. Entgegen der Ansicht des Beklagten war hier der Restwert des Pkw dem Gegenstandswert hinzuzurechnen, so dass ein Gegenstandswert in Höhe von 9.538,91 EUR vorlag. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren für die vorgerichtlichen Gebühren bei der Unfallschadenregulierung richtet sich nach der Höhe des Schadens, wie er dem geschädigten Kläger zum Unfallzeitpunkt entstanden ist. Daher ist auf den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs abzustellen, ohne dass ein zu realisierender Restwert abzuziehen ist (vgl. AG Wesel, Urt. v. 25.3.2011 – 27 C 230/11). Für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ist es jedoch ohne Relevanz, wer den Wiederbeschaffungswert zahlt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH v. 18.1.2005 (VI ZR 73/04). In der Entscheidung ging es um den Abzug "neu für alt". Ein eventueller Restwert war schon deshalb nicht Gegenstand der Entscheidung, da es in dieser Entscheidung um die Ersatzpflicht für die Beschädigung des Hauses ging, welches aufgrund einer Unterspülung abgerissen werden musste und somit keinen Restwert hatte.
Die Berufung wird nicht zugelassen. Insbesondere liegt hier nicht der Fall des § 511 Nr. 1 ZPO vor. Die Zulassung ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es liegt keine Divergenz zur obergerichtlichen Rspr. vor.
3 Anmerkung
Die Berufung hätte zugelassen werden müssen, da es auch gegenteilige Rechtsprechung gibt und eine höchstrichterliche Klarstellung wünschenswert wäre.
Norbert Schneider
AGS 10/2015, S. 464 - 465