Leitsatz
Eine Streitwertaddition ist auch dann vorzunehmen, wenn im Laufe des Verfahrens mehrere Gegenstände nacheinander geltend gemacht werden. Es ist nicht erforderlich, dass mehrere Gegenstände zeitgleich geltend gemacht werden.
OLG Celle, Beschl. v. 9.6.2015 – 2 W 132/15
1 Aus den Gründen
Die gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten führt dazu, dass in Abänderung der Streitwertfestsetzung des LG der Streitwert wie geschehen anderweitig auf 28.872,84 EUR festzusetzen war.
Der Senat hält an seiner Ansicht fest (vgl. AGS 2008, 466), dass, wenn der Kläger im Wege der Klageänderung den Klagegrund für einen Zahlungsanspruch im Laufe einer Instanz auswechselt, die Werte des ursprünglichen und des wirtschaftlich nicht identischen neuen Streitgegenstandes bei der Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren zu addieren sind. Die angefochtene Entscheidung, die sich, anstatt sich sachlich mit der streiterheblichen Rechtsfrage auseinanderzusetzen, darauf beschränkt, darauf hinzuweisen, einer vermeintlich h.M. zu folgen, vermag in Ermangelung jeglicher Begründung demgegenüber nicht zu überzeugen.
Auch die vom LG angeführte vermeintliche h.M. in der obergerichtlichen Rspr. vermag nicht aufzuzeigen, dass und warum § 39 Abs. 1 GKG für die hier streiterhebliche Rechtsfrage keine Anwendung finden soll. § 39 Abs. 1 GKG bestimmt, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Klägerin hat im Streitfall mit der ursprünglichen Klage Zahlung von Miete bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum April 2009 bis Dezember 2009 einschließlich i.H.v. 12.653,92 EUR geltend gemacht. Im Schriftsatz vom 14.5.2012 hat sie den Antrag hinsichtlich der geltend gemachten Verzugszinsen modifiziert und hinsichtlich des in der Hauptsache weiterhin der Höhe nach geltend gemachten Zahlungsanspruchs ausgeführt, für den Zeitraum ab Oktober 2009 stehe ihr ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 2.371,20 EUR zu und für das Jahr 2010 ein Anspruch auf Zahlung von 10.104,00 EUR (12 Monate à 842,00 EUR) zu. Danach hat die Klägerin in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug Streitgegenstände im Gesamtwert von 22.757,92 EUR geltend gemacht, die nach § 39 GKG zusammengerechnet werden.
Soweit das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 15.8.2010 ausgeführt hat, schon der Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG lege nahe, dass nur etwas zusammengerechnet werden könne (AGS 2011, 85), vermag der Senat dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG Derartiges nicht zu entnehmen. Mit Recht hat das OLG Schleswig in seiner Entscheidung vom 28.2.2012 daher auch gemeint, um zu der vom LG in Bezug genommenen angeblich h.M. zu gelangen, müsse § 39 Abs. 1 GKG über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden (SchlHA 2012, 263).
Indes hat auch das OLG Schleswig keinen Grund aufgezeigt, warum § 39 Abs. 1 GKG über seinen Wortlaut hinaus ausgelegt werden müsste. Soweit dies damit begründet wird, dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte, mit der Einfügung des § 39 Abs. 1 GKG durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 (BGBl I, S. 718) in das Gebührenrecht sei keine sachliche Änderung des Gebührenrechts beabsichtigt worden, dem Gesetzgeber sei es nämlich nur darum gegangen, den in § 5 ZPO verankerten Grundsatz – welcher zuvor über § 12 Abs. 1 GKG a.F. unmittelbar nur für den Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familien- und Lebenspartnerschaftssachen gegolten habe – gebührenrechtlich in einer für alle Gerichtsbarkeiten gleichermaßen geltenden Weise zu verankern (vgl. Gesetzesentwurf, Einzelbegründung zu § 39 GKG, BT-Drucks 15/1971, S. 154), überzeugt dies nicht. Dass der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet gewesen wäre, die zuvor bestehende tatsächliche Rechtslage zu übernehmen, lässt sich der in Bezug genommenen Bundestags-Drucksache nicht entnehmen. Dort heißt es zu dem neu einzuführenden § 39 Abs. 1 GKG nämlich wörtlich: "Abs. 1 soll zusätzlich aufgenommen werden. Die Grundregel, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet werden, ergibt sich derzeit allein durch die Verweisung in § 12 Abs. 1 GKG auf Vorschriften der Zivilprozessordnung, hier auf § 5 Hs. 1 ZPO. Die Regelung soll in das GKG eingestellt werden, weil sie für alle Gerichtsbarkeiten gelten soll."
Danach hat der Gesetzgeber, wenn dieser bei der Verabschiedung des Gesetzes diese Auffassung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP tatsächlich übernommen haben sollte, keineswegs gemeint, dass die bisherige durch den Verweis in § 12 Abs. 1 GKG a.F. auf § 5 Hs. 1 ZPO bestehende Rechtslage in das GKG übernommen und in § 39 Abs. 1 GKG geregelt werden sollte. Der Gesetzgeber hat schlicht gemeint, dass es eine Grundregel gebe, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Str...