RVG VV Nr. 4143; RVG § 55; StPO § 404 Abs. 5 S. 1; ZPO § 114
Leitsatz
- Wird die Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren erstreckt, ist das für die Festsetzung gem. § 55 RVG unabhängig davon bindend, ob die Voraussetzungen einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 S. 1 StPO, §§ 114 ff. ZPO tatsächlich vorlagen.
- Dieselbe Instanz eines Strafverfahrens einschließlich des Adhäsionsverfahrens bildet ungeachtet der Zahl der Adhäsionskläger und der von ihnen geltend gemachten Ansprüche gebührenrechtlich regelmäßig dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG, so dass die Gebühr nach Nr. 4143 VV im Fall mehrerer Nebenkläger nach dem Gesamtgegenstandswert zu berechnen ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2017 – III-1 Ws 33 – 34/17
1 Sachverhalt
Rechtsanwalt ... ist dem Angeklagten in dem zugrunde liegenden Strafverfahren vor der Strafkammer des LG als Pflichtverteidiger bestellt worden. In der Hauptverhandlung hat der Vorsitzende der Strafkammer auf Antrag des Pflichtverteidigers durch Beschluss "festgestellt", dass sich dessen Bestellung auch auf "die anhängigen Adhäsionsverfahren" erstreckt.
Nach Abschluss des Verfahrens setzte der Urkundsbeamte des LG die dem Pflichtverteidiger zu erstattende Vergütung auf dessen Antrag zunächst auf 13.961,56 EUR fest. Darin enthalten waren zwei Gebühren nach Nr. 4143 VV i.H.v. jeweils 894,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer (insgesamt 2.127,72 EUR) für die Tätigkeit des Pflichtverteidigers in Bezug auf das von zwei Klägern betriebene Adhäsionsverfahren. Auf Erinnerung des Bezirksrevisors setzte der Urkundsbeamte die dem Pflichtverteidiger zu gewährende Vergütung unter Abzug der beiden für das Adhäsionsverfahren ursprünglich zuerkannten Gebühren auf 11.833,84 EUR herab. Der als "Beschwerde" bezeichneten Erinnerung des Pflichtverteidigers half der Urkundsbeamte nicht ab und legte die Sache der Strafkammer vor. Diese hat durch Beschluss der zuständigen Einzelrichterin die Vergütung des Pflichtverteidigers unter Einschluss einer Gebühr für das Adhäsionsverfahren nach Nr. 4143 VV in der geltend gemachten Höhe zuzüglich Umsatzsteuer (1.063,86 EUR) auf 12.897,70 EUR festgesetzt. Dagegen wenden sich sowohl der Bezirksrevisor als auch der Pflichtverteidiger mit der Beschwerde.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsmittel, denen das LG nicht abgeholfen hat, bleiben ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist unbegründet. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und des landgerichtlichen Nichtabhilfebeschlusses vom 1.2.2017 Bezug genommen. Insbesondere hat das LG den in der Hauptverhandlung am 18.2.2015 auf Antrag des Pflichtverteidigers ergangenen missverständlich formulierten Beschluss über die "Feststellung" der Erstreckung der Beiordnung auf das Adhäsionsverfahren zu Recht dahingehend ausgelegt, dass der Pflichtverteidiger dem Angeklagten gem. § 404 Abs. 5 S. 1 u. 2 StPO, § 121 Abs. 2 ZPO auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnet worden ist. Da Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr gem. § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 4143 VV allein die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren ist, kommt es für die Kostenfestsetzung nach § 55 RVG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der Beiordnung gem. § 404 Abs. 5 S. 1 StPO, §§ 114 ff. ZPO tatsächlich vorlagen (Senat, Beschl. v. 1.2.2017 – III-1 Ws 396+401/16). Die Entscheidung über die Beiordnung ist im Übrigen ohnehin gem. § 404 Abs. 5 S. 3 StPO nicht anfechtbar.
2. Die Beschwerde des Pflichtverteidigers ist ebenfalls nicht begründet. Obwohl in dem Strafverfahren zwei Adhäsionskläger zivilrechtliche Ansprüche gegen den Angeklagten geltend gemacht haben, ist nur eine aus dem Gesamtgegenstandswert berechnete Gebühr nach § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 4143 VV entstanden. Der Senat hat – wie in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt – bereits entschieden, dass es sich bei derselben Instanz eines Strafverfahrens einschließlich des Adhäsionsverfahrens und ungeachtet der Zahl der Adhäsionskläger und der von ihnen geltend gemachten Ansprüche gebührenrechtlich regelmäßig um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG handelt, wobei für die Berechnung der Gebühr nach Nr. 4143 VV im Fall mehrerer Nebenkläger der Gesamtgegenstandswert heranzuziehen ist (Senat, Beschl. v. 12.12.2013 – III-1 Ws 416/13 [= AGS 2014, 176] u. v. 1.2.2017 – III-1 Ws 396+401/16; ebenso OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.2.2009 – 2 Ws 8/09, juris [= AGS 2009, 325], für den Fall der Vertretung mehrerer Adhäsionskläger durch einen Rechtsanwalt). Die Rechtsausführungen der Beschwerde geben keine Veranlassung zur Änderung dieser Rspr. Es ist nicht ersichtlich, dass dadurch im Fall des unterschiedlichen Erfolgs mehrerer Adhäsionskläger im Kostenfestsetzungsverfahren zusätzliche Probleme entstehen. Die Höhe der sich aus dem Gesamtgegenstandswert ergebenden Gebühr nach Nr. 4143 VV hat das LG zutreffend ermittelt.
AGS 10/2017, S. 460 - 461