RVG §§ 58 Abs. 3, 17 Nr. 10a)
Leitsatz
- Durch die Neuregelung des § 58 Abs. 3 S. 1 und S. 4 RVG sowie des § 17 Nr. 10a) RVG in der Fassung des seit dem 1.8.2013 geltenden 2. KostRMoG ist die Rspr. zum früheren Rechtszustand überholt.
- Eine Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen im Straf- und Bußgeldverfahren – hier: Zahlungen für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren – ist nach der Neuregelung nur noch auf die für die jeweilige Angelegenheit zu zahlenden gesetzlichen Gebühren möglich. Aus § 58 Abs. 3 S. 4 RVG folgt nichts anderes.
KG, Beschl. v. 29.3.2017 – 1 Ws 19/16
1 Sachverhalt
Rechtsanwalt K. war ab dem 16.2.2015 für seinen inhaftierten Mandanten im Ermittlungsverfahren und zunächst auch noch im gerichtlichen Verfahren vor dem LG als Wahlverteidiger tätig. Am ersten Hauptverhandlungstag wurde er nach Niederlegung seines Wahlmandats zum Pflichtverteidiger bestellt. Bis dahin hatte er an der Haftbefehlsverkündung, einem Haftprüfungstermin vor dem Ermittlungsrichter und einem weiteren Haftprüfungstermin vor der Strafkammer teilgenommen. Er verteidigte den Angeklagten in zwei Terminen zur Hauptverhandlung, legte gegen das Urteil Revision ein und begründete diese.
Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragte Rechtsanwalt K., für das Verfahren vor der Strafkammer und die Revision Pflichtverteidigergebühren und Auslagen in einer Gesamthöhe von 1.961,12 EUR brutto festzusetzen. Er erklärte, mit seinem Mandanten für das Ermittlungsverfahren, für das er keine Pflichtverteidigervergütung geltend mache, eine gesonderte Vergütungsvereinbarung i.H.v. 4.300,00 EUR brutto (= 3.613,44 EUR netto) getroffen zu haben. Dieser Betrag sei ihm auch gezahlt worden. Weitere Zahlungen und/oder Vorschüsse habe er nicht erhalten. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag lediglich i.H.v. 633,08 EUR stattgegeben. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Stellungnahme der Bezirksrevisorin des LG hat sie dies damit begründet, dass eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 S. 4 RVG gerechtfertigt sei. Die vereinbarte Zahlung des Verurteilten auf die Gebühren des Ermittlungsverfahrens überschreite die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers deutlich (um das 3,04-fache). Daher sei das für das Ermittlungsverfahren geleistete Honorar i.H.v. 3.613,44 EUR nur bis zu den Beträgen der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers und im Übrigen in vollem Umfang auf das erstinstanzliche Verfahren anzurechnen. Dementsprechend hat die Urkundsbeamtin den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:
I. Ermittlungsverfahren
Grundgebühr, Nr. 4101 VV (Höchstgebühr) |
450,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftbefehlsverkündungstermin am 17.2.2015 mit Verhandlung über die Haftfrage und am Haftprüfungstermin am 3.3.2015) (Höchstgebühr) |
375,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 4105 VV (Höchstgebühr) |
362,50 EUR |
Insgesamt |
1.187,50 EUR |
Abzuziehen erhaltene Nettozahlung |
3.613,44 EUR |
Somit auf die beantragten Gebühren für das gerichtliche Verfahren anzurechnender Betrag |
2.425,94 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV |
180,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2.4.2015) |
166,00 EUR |
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV |
|
– 29.5.2015 |
312,00 EUR |
– 4.6.2015 |
312,00 EUR |
Insgesamt |
970,00 EUR |
Doppelter Betrag (§ 58 Abs. 3 S. 3 RVG) |
1.940,00 EUR |
Abzuziehen restliche Nettozahlung |
2.425,94 EUR |
Noch aus der Landeskasse zu gewährender Betrag |
0,00 EUR |
Pauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
3,80 EUR |
Anzusetzen |
23,80 EUR |
III. Revisionsverfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4130 VV |
492,00 EUR |
Pauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
512,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
97,28 EUR |
Anzusetzen |
609,28 EUR |
Festgesetzter Betrag |
633,08 EUR |
Das LG hat mit der angefochtenen Entscheidung der Erinnerung des Rechtsanwalts K. im Wesentlichen stattgegeben und die ihm aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für das gerichtliche Verfahren und das Revisionsverfahren auf 1.787,38 EUR festgesetzt. Gekürzt hat es lediglich die Gebühr für den Haftprüfungstermin vor dem LG, die vom Antragsteller zu hoch angesetzt worden war. Im Übrigen hat es dargelegt, dass das dem Antragsteller aufgrund der Honorarvereinbarung für das Ermittlungsverfahren gezahlte Entgelt allein auf die im Ermittlungsverfahren und nicht auch auf die im gerichtlichen Verfahren entstandenen Gebühren anzurechnen sei. Eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 3 S. 4 RVG sei nicht gerechtfertigt. Dementsprechend hat es den festgesetzten Betrag wie folgt berechnet:
II. Gerichtliches Verfahren
Verfahrensgebühr, Nr. 4113 VV |
180,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 4103 VV (Teilnahme am Haftprüfungstermin am 2.4.2015) |
166,00 EUR |
Terminsgebühren je Hauptverhandlungstag, Nr. 4115 VV |
|
– 29.5.2015 |
312,00 EUR |
– 4.6.2015 |
312,00 EUR |
Pauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
188,10 EUR |
Anzusetzen |
1.178,10 EUR |