RVG § 48
Leitsatz
§ 48 Abs. 6 S. 1 RVG findet unmittelbar Anwendung, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und danach die Bestellung als Pflichtverteidiger in dem (verbundenen) Gesamtverfahren erfolgt.
OLG Hamm, Beschl. v. 16.5.2017 – 1 Ws 95/17
1 Sachverhalt
Gegen den damaligen Beschuldigten war unter dem Aktenzeichen 15 Js 697/15 bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Diebstahls anhängig. Ferner wurden gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren wegen ähnlicher Tatvorwürfe geführt, die in der Folgezeit durch die Staatsanwaltschaft im laufenden Ermittlungsverfahren zu dem Verfahren 15 Js 697/15, das führend blieb, hinzuverbunden wurden. Am 6.10.2015 wurde das Verfahren 15 Js 718/15, am 1.12.2015 wurden die Verfahren 15 Js 706/15 u. 15 Js 798/15, am 16.12.2015 wurde das Verfahren 15 Js 783/15 und zuletzt am 8.1.2016 das Verfahren 15 Js 695/15 mit dem Verfahren 15 Js 697/15 verbunden.
Bereits mit Fax-Schriftsatz vom 7.9.2015, der am selben Tag bei der Staatsanwaltschaft einging, halte sich der Wahlverteidiger Rechtsanwalt pp. in allen den Beschuldigten betreffenden Verfahren als Wahlverteidiger gemeldet und unter Beifügung einer schriftlichen Vollmacht vom 31.8.2015 Akteneinsicht beantragt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde Rechtsanwalt pp. durch Beschluss des Ermittlungsrichters beim AG v. 1.3.2016 zum Pflichtverteidiger bestellt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beschuldigte in anderer Sache in Strafhaft (v. 14.9.2015 bis zum 9.10.2016).
Mit Verfügung vom 12.5.2016 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gem. § 154 Abs. 1 StPO wegen der zu erwartenden Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung in den Verfahren 33 Js 1218/15 und 33 Js 1776/15 vorläufig ein.
Mit Schriftsätzen vom 31.5.2016 zum führenden Verfahren und zu jedem der Ursprungsverfahren beantragte Rechtsanwalt pp. u.a. je eine Grundgebühr mit Zuschlag (Nr. 4101 VV) i.H.v. 192,00 EUR, eine Verfahrensgebühr mit Zuschlag (Nr. 4105 VV) i.H.v. 161,00 EUR sowie für alle Verfahren insgesamt 228 Kopien zu je 0,50 EUR sowie 30 Kopien zu je 0,15 EUR. Das AG setzte die aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung auf 799,68 EUR für das Verfahren 15 Js 697115 insgesamt fest, da es sich nach Hinzuverbindung der fünf weiteren Verfahren insgesamt nur noch um ein Verfahren handele. In den weiteren Verfahren sei weder vor Verbindung eine Beiordnung erfolgt noch sei die Beiordnung auf diese Verfahren erstreckt worden. Die festgesetzte Summe errechnete sich wie folgt:
4101 VV |
Grundgebühr mit Zuschlag |
192,00 EUR |
nur 1 x |
4105 VV |
Verfahrensgebühr mit Zuschlag |
161,00 EUR |
nur 1 x |
4141 VV |
Entbehrlichkeitsgebühr |
132,00 EUR |
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7000 Nr. 1a VV für sämtliche Kopien |
258 Kopien |
56,20 EUR |
0,50 EUR für die ersten 50 Kopien und 0,15 EUR im Übrigen |
7002 VV |
Postpauschale |
20,00 EUR |
nur 1 x |
7003 VV |
Fahrtkosten |
58,80 EUR |
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7005 Nr. 2 VV |
Abwesenheitsgeld |
40,00 EUR |
Geschäftsreise in JVA |
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Aktenversendungspauschale |
12,00 EUR |
nur 1 x |
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672,00 EUR |
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7008 VV |
19 % USt |
127,68 EUR |
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799,68 EUR |
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Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Verteidiger pp. Erinnerung ein und beantragte hilfsweise, die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung auf die einzelnen Ermittlungsverfahren zu erstrecken, die zum dem führenden Verfahren 15 Js 697/15 hinzuverbunden worden waren. Der Erinnerung half der Rechtspfleger nicht ab. Das AG wies die Erinnerung sowie den Antrag auf nachträgliche Erstreckung der Wirkung der Beiordnung auf die verbundenen Verfahren zurück.
Hiergegen legte der Verteidiger Beschwerde ein und beantragte hilfsweise erneut, die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung auf die hinzuverbundenen Verfahren zu erstrecken. Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem LG vor, das den angefochtenen Beschluss in der Besetzung mit drei Richtern aufhob, die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung auf die Verfahren 15 Js 706/15, 15 Js 798/15 u. 15 Js 783/15 erstreckte, eine weitere Vergütung i.H.v. 1.331,61 EUR festsetzte, die Beschwerde im Übrigen verwarf und die weitere Beschwerde zugelassen hat.
Der weitere durch das LG festgesetzte Betrag i.H.v. 1.331,61 EUR setzt sich wie folgt zusammen:
4101 VV Grundgebühr mit Zuschlag |
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192,00 EUR |
4105 VV Verfahrensgebühr mit Zuschlag |
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161,00 EUR |
7002 VV Postpauschale |
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20,00 EUR |
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373,00 EUR |
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7008 VV 19 % USt |
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70,87 EUR |
Summe je Verfahren |
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443,87 EUR |
insgesamt 3 Verfahren |
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1.331,61 EUR |
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verteidiger mit seiner weiteren Beschwerde, mit der er weiterhin die antragsgemäße Festsetzung auch für die Verfahren 15 Js 718/15 und 15 Js 695/15 begehrt. Hilfsweise beantragt er, die Wirkungen der Pflichtverteidigerbestellung im Verfahren 15 Js 697/15 auch auf die beiden Verfahren zu erstrecken.
Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
1. Der Senat entscheidet gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG in der Besetzung mit drei Richtern, da auch die ...