VwGO §§ 91, 146 Abs. 3; RVG § 15 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
- Auch wenn eine Verfahrensgebühr vor der Verfahrenstrennung bereits (anteilig) aus dem Gesamtstreitwert erwachsen ist, fallen in den durch die Trennung verselbstständigten Verfahren entsprechende Gebühren aus den jeweiligen geringeren Streitwerten erneut an; dies gilt für das unter dem alten Aktenzeichen fortgeführte Verfahren in gleicher Weise wie für die mit neuen Aktenzeichen versehenen abgetrennten Verfahren (Abweichung von der Rspr. des Bayerischen VGH in den Beschlüssen v. 30.1.2007 – 25 C 07.161, juris Rn 3 u. v. 28.5.2001 – 23 C 01.1049, juris Rn 4).
- § 15 Abs. 2 S. 1 RVG steht der Berücksichtigung der nach Trennung entstandenen Verfahrensgebühr nicht entgegen; er hindert nur die kumulative Forderung von (anteiliger) Gesamtgebühr und Einzelgebühr. In der Konsequenz ergibt sich ein Wahlrecht des Bevollmächtigten, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung.
- Durch die Trennung entstehen rechtlich selbstständige Verfahren. Die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen kann deshalb für jedes Verfahren in vollem Umfang geltend gemacht werden.
Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.8.2017 – 14 C 17.559
1 Sachverhalt
Der Kläger wendet sich im Wege der Beschwerde gegen die Zurückweisung seiner Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des VG.
Der Kläger erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11.1.2016 Klage gegen einen Bescheid des Beklagten vom 9.12.2015, in dem mehrere (größtenteils ineinandergreifende) naturschutzrechtliche Anordnungen unter anderem im Zusammenhang mit der Rodung eines Streuobstbestands getroffen worden waren. Mit Beschl. d. VG v. 14.1.2016 wurden von diesem Verfahren mit dem Aktenzeichen W 4 K 16.30 vier weitere Verfahren (W 4 K 16.31, W 4 K 16.32, W 4 K 16.33 u. W 4 K 16.34) abgetrennt, soweit die Nummern 1, 2, 5 u. 8 des Bescheids v. 9.12.2015 betroffen waren. Sämtliche Verfahren wurden am 18.10.2016 gemeinsam mündlich verhandelt. Mit Urteilen jeweils vom gleichen Datum wurde der Bescheid insgesamt aufgehoben und dem Beklagten wurden jeweils die Kosten des Verfahrens auferlegt. Durch Beschl. d. VG wurde der Streitwert in der Verwaltungsstreitsache W 4 K 16.30 auf 23.568,97 EUR vor Abtrennung der vier weiteren Verfahren (W 4 K 16.31, W 4 K 16.32, W 4 K 16.33 u. W 4 K 16.34) festgesetzt, nach Abtrennung auf 2.500,00 EUR.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2016 beantragte der Kläger, im Verfahren W 4 K 16.30 die folgenden Kosten gegen den Beklagten festzusetzen: Eine 1,3-fache Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) i.H.v. 261,30 EUR und eine 1,2-fache Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) i.H.v. 241,20 EUR, jeweils aus einem Gegenstandswert von 2.500,00 EUR, sowie eine Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV) i.H.v. 20,00 EUR. Zusammen mit weiteren in Ansatz gebrachten Auslagen wurde ein Betrag von insgesamt 683,42 EUR (incl. Mehrwertsteuer) geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.12.2016 setzte der Urkundsbeamte die außergerichtlichen Aufwendungen auf insgesamt 458,40 EUR (incl. Mehrwertsteuer) fest. Zur Begründung führte er (unter anderem) aus, dass die Verfahrensgebühr aus dem Streitwert i.H.v. 23.568,97 EUR spätestens mit dem Eingang der Klageschrift vom 11.1.2016 bei Gericht und damit vor Abtrennung der Verfahren W 4 K 16.31 bis W 4 K 16.34 entstanden sei. Sie könne deshalb nur entsprechend dem verbliebenen Streitwertanteil, d.h. dem Verhältnis des Einzelstreitwerts von 2.500,00 EUR zu dem bei Eingang der Klageschrift bestehenden Gesamtstreitwert aller Verfahren i.H.v. 23.568,97 EUR berechnet und festgesetzt werden; sie betrage also 108,69 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer). Der Ansicht, ein Rechtsanwalt habe ein Wahlrecht, ob er seine Gebühren aus dem addierten Gesamtstreitwert oder aus den Einzelstreitwerten der abgetrennten Verfahren fordere, könne nicht beigetreten werden. Nach dem in § 15 Abs. 2 RVG gesetzlich normierten Grundsatz der Einmaligkeit einer Gebührenforderung könnten bereits entstandene Gebühren nach einer Abtrennung von Verfahren nicht erneut entstehen. Die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,00 EUR könne ebenfalls nur entsprechend dem verbliebenen Streitwertanteil angesetzt werden; sie betrage 2,12 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Dokumentenpauschale (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7000 VV) und die geltend gemachten Fahrtkosten (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7003 VV) seien zu kürzen.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2016 beantragte der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.12.2016 die Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung führte er aus, nach der Rspr. des BGH seien nach Prozesstrennung eigenständige Verfahrensgebühren aus jedem Einzelstreitwert entstanden. Auch wenn die Verfahrensgebühr mit der Einleitung des Prozesses entstehe, solle sie nicht nur diese Tä...