RVG § 15 Abs. 2
Leitsatz
Die anwaltliche Vertretung in einem Verfahren, das wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden zum Gegenstand hat, stellt in der Regel dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG dar.
BGH, Beschl. v. 26.9.2018 – VII ZB 54/16
1 Sachverhalt
Das OLG hatte der Berufung teilweise stattgegeben und sie i.Ü. zurückgewiesen. Beide Parteien haben hiergegen jeweils Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die beide unter demselben Aktenzeichen geführt wurden. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde zurückgewiesen, während auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision zugelassen wurde. Im späteren Revisionsverfahren hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück. Das OLG wies dann später die Berufung der Beklagten zurück und erlegte ihr die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens auf. Die Klägerin beantragte sodann Kostenfestsetzung. Hierbei meldete sie zum einen eine 2,3-Verfahrensgebühr (Nrn. 3506, 3508 VV) für das von der Beklagten erfolglos geführte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren an sowie eine weitere 2,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3206, 3208 VV) für das auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde hin durchgeführte Revisionsverfahren. Hiergegen wandte sich die Beklagte. Sie war der Auffassung, dass beide Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine einzige Angelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG seien, so dass nur eine 2,3-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert abgerechnet werden dürfe. Das LG hat lediglich eine 2,3-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert beider Nichtzulassungsbeschwerden festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg (OLG München AGS 2016, 566), ebenso wenig die Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch i.Ü. zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss sei nicht zu beanstanden, weil es sich bei den von der Klägerin und der Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden aus gebührenrechtlicher Sicht um eine Angelegenheit gehandelt habe. Werde ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit tätig, könne er die Gebühren gem. § 15 Abs. 2 RVG nur einmal fordern.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die anwaltliche Vertretung der Klägerin bezüglich der beiden Nichtzulassungsbeschwerden dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG darstellt.
a) Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann (BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZB 116/15 Rn 6 m.w.N., NJW-RR 2016, 883 [= AGS 2016, 316]).
Im gerichtlichen Verfahren wird der für die Bejahung einer Angelegenheit notwendige Zusammenhang grds. schon dadurch hergestellt, dass das Gericht von einer Trennung der Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs absieht oder bei zwei ursprünglich getrennten Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs eine Verbindung herbeiführt. Regelmäßig ist das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug eine Angelegenheit (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZB 116/15 Rn 7 m.w.N., NJW-RR 2016, 883 [= AGS 2016, 316]).
b) Nach diesen Maßstäben betreffen die beiden Nichtzulassungsbeschwerden dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Die Nichtzulassungsbeschwerden waren Gegenstand desselben Gerichtsverfahrens vor dem BGH.
c) Entgegen der Argumentation der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 17 Nr. 9 RVG nichts anderes. Diese Vorschrift regelt für die Anwaltsgebühren das Verhältnis der Nichtzulassungsbeschwerde zum nachfolgenden Revisionsverfahren, betrifft aber nicht das Verhältnis mehrerer Nichtzulassungsbeschwerden.
d) Unerheblich ist der Einwand der Rechtsbeschwerde, mit den Nichtzulassungsbeschwerden seien unterschiedliche Sachgegenstände und Zulassungsgründe geltend gemacht worden. Die Annahme einer Angelegenheit setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 24.3.2016 – III ZB 116/15 Rn 6, NJW-RR 2016, 883 [= AGS 2016, 316]).
e) Ebenfalls unerheblich ist der Einwand der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die von der Beklagten mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten Berufungsanträge hätte ein höherer Gegenstandswert festgesetzt werden müssen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts gehört nicht zum...