SGG § 105; VwGO § 84; RVG VV Nr. 3104
Leitsatz
- Bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat nur derjenige Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV, der im konkreten Fall einen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können. Es reicht nicht aus, dass ein anderer Verfahrensbeteiligter eine mündliche Verhandlung hätte erzwingen können.
- Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV setzt nicht voraus, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung der einzig mögliche Rechtsbehelf war. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist daher nicht auf die Fälle des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beschränkt.
OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.8.2018 – 2 OA 1541/17
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers trotz der Beendigung des Verfahrens durch Gerichtsbescheid eine Terminsgebühr zusteht.
Das VG hatte der Klage mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid stattgegeben. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dem das Gericht Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, die Festsetzung u.a. einer Terminsgebühr. Zur Begründung verwies er auf Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV. Dies lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ab und verwies darauf, dass die Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur in Fällen entstehe, in denen die Beteiligten eine mündliche Verhandlung erzwingen könnten. Ein solcher Fall liege nicht vor.
Gegen diese Entscheidung hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der Erinnerung gewandt, der das VG mit dem angegriffenen Beschluss stattgegeben hat. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dem Wortlaut des Gebührentatbestands lasse sich die von der Urkundsbeamtin angenommene Beschränkung, durch die die Terminsgebühr zu einer Art Misserfolgsgebühr werde, nicht entnehmen.
Hiergegen hat die Landeskasse Beschwerde erhoben. Er ist – ebenso wie die Beklagte – der Auffassung, dass ein Prozessbevollmächtigter die Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur dann verdient habe, wenn er zulässigerweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung habe stellen können und dieser Antrag gem. § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugleich der einzig mögliche Rechtsbehelf gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung gewesen sei. Beides sei hier nicht der Fall.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers tritt dieser Rechtsauffassung entgegen. Er meint, die Terminsgebühr sei schon dann verdient, wenn mündliche Verhandlung hätte beantragt werden können. Ob dieser Antrag die einzige Möglichkeit gewesen sei, sich gegen den Gerichtsbescheid zur Wehr zu setzen, sei nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde, über die nach entsprechender Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG der Senat entscheidet, ist begründet.
Das VG hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Unrecht die Terminsgebühr zugesprochen. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV RVG vermittelt ihm keinen solchen Anspruch.
Nach Abs. 3 der Vorbem. 3 VV entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen. Darüber hinaus regelt das Vergütungsverzeichnis Ausnahmetatbestände, in denen eine – fiktive – Terminsgebühr auch ohne die Wahrnehmung eines Termins gezahlt wird. Die Reichweite dieser Ausnahmetatbestände ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommt neben dem Wortlaut dem Sinn und Zweck der Ausnahme eine besondere Bedeutung zu.
Zu diesen Ausnahmetatbeständen gehört Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV. Danach entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass sie im Fall der Instanzbeendigung durch Gerichtsbescheid nur demjenigen Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Terminsgebühr vermittelt, der im konkreten Fall einen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können (dazu unter 1.). Sie findet aber entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und der Beklagten nicht nur dann Anwendung, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung der einzig mögliche Rechtsbehelf war (dazu unter 2.).
1. Der Anspruch auf die Terminsgebühr entsteht nur für denjenigen Rechtsanwalt, der zulässigerweise eine mündliche Verhandlung hätte beantragen können.
Nach dem Wortlaut der mit dem 2. KostRMoG im Jahr 2013 (BGBl I, 2586) insoweit ergänzten Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV entsteht die Gebühr nur, wenn eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Maßgeblich ist, dass die jeweilige Verfahrensordnung die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung vorsieht, ein dahingehender Antrag mithin zulässigerweise gestellt werden kann.
Keine eindeutige Antwort gibt der Wortlaut aber auf die Frage, ob die Terminsgebühr nur derjenige Prozessbevollmächtigte beanspruchen kann, dessen Partei das Recht auf mündliche Verhandlung zusteht...