RVG §§ 49, 14
Leitsatz
Begehrt der beigeordnete Rechtsanwalt in einem sozialgerichtlichen Verfahren einen Vorschuss auf die Verfahrensgebühr, so ist ein Vorschuss in Höhe von 70 % der Mittelgebühr nicht zu beanstanden.
SG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 6.8.2019 – S 30 SF 213/19 E
1 Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war in einem erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet. Er hatte sodann einen Vorschuss auf die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer beantragt. Die Urkundsbeamtin hat lediglich einen Vorschuss i.H.v. 70 % der Mittelgebühr festgesetzt. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung hat keinen Erfolg. Die Urkundsbeamtin hat den aus der Staatskasse zu zahlenden Vorschuss aus der Prozesskostenhilfe zutreffend festgesetzt. Vorliegend ist ein Vorschuss auf die Verfahrensgebühr nur i.H.v. 70 % der Mittelgebühr festzusetzen.
Der gem. § 47 RVG festzusetzende Vorschuss ist auch in sozialgerichtlichen Verfahren zu gewähren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 47 RVG ein Vorschuss auf die "entstandenen Gebühren" gefordert werden kann. Anders als bei den Auslagen, für die auch für "voraussichtlich entstehende(n)" ein Vorschuss verlangt werden kann, kann es bei den Gebühren nach diesem Gesetzeswortlaut nur darauf ankommen, welche Tätigkeiten bislang zu vergüten sind. Diesbezüglich lässt sich weder dem Festsetzungsantrag noch der Erinnerung entnehmen, dass bereits Gebühren in Höhe der Mittelgebühr entstanden sind.
Unabhängig davon, ob im vorliegenden Verfahren bei der endgültigen Festsetzung eine Reduzierung der Gebühren wegen entstehender Synergieeffekte bei zeitgleichen Parallelverfahren in Betracht kommt, begegnet die Kürzung der Gebühren um 30 % keinen Bedenken. Auch insoweit sind die Kriterien des § 14 RVG zugrunde zu legen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Beantragung eines Vorschusses in der Regel bei wertender Betrachtung noch von einem unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit auszugehen ist. Insbesondere sind zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch keine Tätigkeiten vorgenommen worden, die sich auf die Vorbereitung eines Termins beziehen.
Zu einem sozialgerichtlichen Verfahren gehört nach der gesetzlichen Konzeption auch die Verhandlung der Sache in einem Termin, wie sich den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug entnehmen lässt. Zwar wird die Wahrnehmung während des Termins (auch) über die Terminsgebühr abgegolten, die allerdings erst mit dem Aufruf der Sache entsteht. Mithin ist die anwaltliche Tätigkeit, die der Terminsvorbereitung dient, sei es in rechtlicher oder in tatsächlicher Hinsicht, noch von der Verfahrensgebühr umfasst, und gehört zum "durchschnittlichen" Klageverfahren vor dem SG.
Gründe, die vorliegend die Festsetzung eines höheren Vorschusses rechtfertigen, sind nicht dargelegt worden.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Ein Wahlanwalt hätte einen Vorschuss in Höhe der Mittelgebühren verlangen können, und zwar sowohl für die Verfahrens- als auch für die Terminsgebühr.
Im Gegensatz zum Wahlanwalt steht dem beigeordneten Anwalt dagegen ein Recht auf Vorschuss hinsichtlich der Gebühren nur insoweit zu, als diese bereits angefallen sind. Bei Festgebühren, wie in Zivilsachen, spielt die Höhe i.d.R. keine Rolle, da die 1,3 Verfahrensgebühr mit dem ersten Schriftsatz oder Antrag bereits anfällt. Anders verhält es sich dagegen in sozialgerichtlichen Verfahren, da hier Rahmengebühren gelten (§ 3 Abs. 1 RVG). Insoweit ist also nicht nur zu prüfen, ob die Gebühr als solche angefallen ist, sondern auch, in welcher Höhe die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG bereits erfüllt sind.
Rechtsanwalt Norbert Schneider
AGS 10/2019, S. 481 - 482