GKG §§ 1, 28 Abs. 2; VwGO § 100; ZPO § 85; AsylG § 83b
Leitsatz
- Im asylrechtlichen Verfahren kann beim Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Aktenversendungspauschale erhoben werden.
- Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Aktenversendungspauschale (Nr. 9003 GKG-KostVerz.) regelmäßig nicht beim Prozessbevollmächtigten zu erheben.
- Die Gerichtskostenfreiheit nach § 83b AsylG erfasst nicht nur die Beteiligten, sondern auch deren Bevollmächtigte (entgegen VG Weimar, Beschl. v. 16.5.2019 – 7 S 320/19, 4 S 341/19).
VG Meiningen, Beschl. v. 12.3.2020 – 2 S 27/20
1 Sachverhalt
Im Rahmen des asylrechtlichen Klageverfahrens gewährte das VG dem Erinnerungsführer auf dessen ausdrücklichen Antrag Einsicht in die Ausländerakte des Landratsamtes durch Übersendung der Akten an die Kanzleianschrift.
Mit Kostenrechnung stellte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Erinnerungsführer Kosten für die Aktenversendung nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. i.H.v. 12,00 EUR in Rechnung.
Gegen diese Kostenverfügung erhob der Erinnerungsführer Erinnerung. In einem gerichtskostenfreien Verfahren sei jegliche Form von Gerichtskosten versagt, was auch diejenigen der Aktenversendung betreffe.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle verwies den Erinnerungsführer auf die Beschlüsse des VG Weimar v. 14.5.2019 in den Verfahren 7 S 320/19 und 4 S 341/19. Die sachliche Gerichtskostenfreiheit gelte nicht für den bevollmächtigten Rechtsanwalt als Kostenschuldner gem. § 28 Abs. 2 GKG.
Nachdem der Erinnerungsführer an seiner Erinnerung festhielt, half der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Bezirksrevisor vor.
Auch dieser half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Da der Erinnerungsführer kein Beteiligter i.S.d. § 63 VwGO sei, sei § 83b AsylG für ihn nicht anwendbar.
Der Erinnerungsführer führt aus, dass auch die Auslagen zur Aktenversendung der Gerichtskostenfreiheit unterfielen, wie sich auch aus dem Urteil des SG Mannheim v. 20.5.2011 – S 9 AY 4431/10 ergebe. Die Gerichtskostenfreiheit ergebe sich zudem aus § 1 GKG. Bei Asylverfahren handele es sich nicht um Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der VwGO, weil das AsylG ein eigenes Prozessrecht bestimme und die VwGO nur entsprechend herangezogen werde.
Der Einzelrichter hat die Entscheidung über die Kostenerinnerung nach Anhörung der Beteiligten auf die Kammer übertragen.
2 Aus den Gründen
Die Entscheidung ergeht durch die Kammer, nachdem der Einzelrichter das Verfahren über die Kostenerinnerung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten und grundsätzlicher Bedeutung durch Beschluss auf sie übertragen hat.
Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung hat Erfolg.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Zwar ist entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers der Anwendungsbereich des GKG eröffnet. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 GKG ist das GKG auf Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der VwGO anzuwenden. Das GKG gilt daher nicht, soweit Bund und Länder den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit und des Personalvertretungsrechts (vgl. § 187 VwGO) übertragen und für diese Verfahren ein von der VwGO abweichendes Verfahren bestimmt haben (Zimmermann, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., 2019, § 1 GKG Rn 35). Das AsylG enthält zwar einzelne Modifikationen des allgemeinen Prozessrechts der VwGO, begründet aber keine eigenständige Prozessordnung, wie schon aus den mannigfaltigen Verweisungen auf die VwGO im AsylG deutlich wird.
Die Aktenversendungspauschale durfte gleichwohl nicht vom Erinnerungsführer abverlangt werden.
Nach § 28 Abs. 2 GKG schuldet die in Rechnung gestellten Auslagen nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. nur, wer die Versendung der Akte beantragt hat.
Aus dieser Vorschrift wird weitläufig gefolgert, dass Kostenschuldner stets der die Aktenübersendung beantragende Rechtsanwalt sei. Diese Auffassung stützt sich maßgeblich darauf, dass die Verfahrensordnungen (vgl. z.B. §§ 147 Abs. 4, 406e Abs. 3, 475 Abs. 3 StPO; § 46 Abs. 1 OWiG; § 187 Abs. 2 RiStBV; § 100 Abs. 2 VwGO und § 299 Abs. 3 ZPO) eine Übersendung der Akten zur Einsichtnahme außerhalb der Diensträume der aktenführenden Stelle nur an Rechtsanwälte oder Rechtsbeistände zuließen. Zudem sei auf den aus der Entstehungsgeschichte des § 28 Abs. 2 GKG belegten Normzweck der Vorschrift zu verweisen.
§ 28 Abs. 2 GKG solle eine spezielle Kostenregelung schaffen, die eine ungerechtfertigte Haftung der allgemeinen Kostenschuldner vermeidet (BT-Drucks 12/6962, 66). Dies belege, dass der Schuldner nicht nach den allgemeinen Vertretungsregeln zu bestimmen sei, weil die Vorschrift anderenfalls überflüssig sei. Die Norm bestimme daher einen besonderen Schuldner für die Kosten der Aktenversendung und erleichtere die Beitreibung der Kosten, weil hierfür nur der Prozessbevollmächtigte in Betracht komme. Denn von der Frage, in wessen Interesse die Akteneinsicht erfolge, sei zu trennen, auf welche Weise und an welchem Ort diese Akteneinsicht vorgenommen w...