Auf welche Weise eine an den im späteren gerichtlichen Verfahren im Wege der PKH oder VKH beigeordneten Rechtsanwalt gezahlte Geschäftsgebühr auf die aus der Staatskasse zu erstattende Verfahrensgebühr anzurechnen ist – unter Beachtung von § 58 Abs. 2 RVG oder unmittelbar nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV –, ist derzeit umstritten. Teilweise wird davon ausgegangen, dass sich die Anrechnung der Zahlung auf die Geschäftsgebühr nach § 58 Abs. 2 RVG richtet,[16] teilweise wird die Anrechnung unmittelbar nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV auf die Vergütung aus der Staatskasse vorgenommen.[17]

Der geplante neue § 58 Abs. 2 S. 2 RVG soll klarstellen, dass sich bei Anrechnung einer Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht besteht, auf eine Gebühr, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit vermindert, als der Rechtsanwalt insgesamt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr mehr als den sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde:

 

Beispiel 10

Für die außergerichtliche Vertretung ist eine 1,3-Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV nach einem Wert von 5.000,00 EUR an den Rechtsanwalt gezahlt worden. Der Rechtsanwalt wird im anschließenden gerichtlichen Verfahren im Wege der PKH/VKH beigeordnet (Wert: 5.000,00 EUR).

Nach der geplanten Neuregelung durch das KostRÄG 2021 in § 58 Abs. 2 S. 2 RVG wäre eine etwaige Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr wie folgt zu prüfen:

Es ist zunächst der sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergebende Gesamtbetrag zu ermitteln, der aus dem um den Anrechnungsbetrag der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV verminderten Gesamtbetrag der Geschäftsgebühr sowie der Verfahrensgebühr besteht. Beide Gebühren sind dabei aus der Wahlanwaltsgebührentabelle (§ 13 RVG) zu entnehmen:

 
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV 434,20 EUR
(Wert: 5.000,00 EUR)  
hierauf nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV  
anzurechnen:  
0,65 nach einem Wert – 217,10 EUR
i.H.v. 5.000,00 EUR  
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 434,20 EUR
(Wert: 5.000,00 EUR)  
Gesamt 651,30 EUR

Erhält der Rechtsanwalt durch die Zahlung auf die Geschäftsgebühr und den ohne Anrechnung der Geschäftsgebühr ermittelten Anspruch gegen die Staatskasse auf die Verfahrensgebühr mehr als den sich nach § 15a Abs. 1 RVG ergebenden Gesamtbetrag i.H.v. 651,30 EUR, vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse um den übersteigenden Betrag. Ein etwaiger Anrechnungsbetrag ist daher wie folgt zu ermitteln:

 
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV 434,20 EUR
(Wert: 5.000,00 EUR), § 13 RVG  
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 369,20 EUR
(Wert: 5.000,00 EUR), § 49 RVG  
Gesamt 803,40 EUR
abzgl. Gesamtbetrag – 651,30 EUR
gem. § 15a Abs. 1 RVG  
Differenz 152,10 EUR

Der gegen die Staatskasse gerichtete Anspruch auf die Verfahrensgebühr verringert sich daher gem. § 58 Abs. 2 S. 2 RVG n.F. von 369,20 EUR um 152,10 EUR auf 217,00 EUR.

In dem Entwurf wird allerdings ausgeführt, dass ein Abzug einer auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr erfolgten Zahlung nur dann in Betracht kommen soll, wenn die Zahlung dazu führt, dass die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und dem insgesamt nach § 49 RVG bestehenden Anspruch völlig beglichen ist. Anders als der geplante Wortlaut von § 58 Abs. 2 S. 2 RVG, der nur auf die der Anrechnung unterfallenden Gebühren abstellt, wird in der Begründung die Wahlanwalts- und PKH-Vergütung insgesamt erwähnt. Hierdurch kann sich aber ein ganz anderes Anrechnungsergebnis ergeben, weil die Vergütung auch die Auslagen (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG) und andere Gebühren (Termins- und Einigungsgebühr) umfasst.

[16] Vgl. z.B. OLG Hamm AGS 2016, 530 = RVGreport 2016, 342.

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