1. Bestimmung einer Betragsrahmengebühr bei Gebührenanrechnungen (§ 14 RVG)

Mit dem 2. KostRMoG hat der Gesetzgeber zum 1.8.2013 Anrechnungsregelungen auch für Rahmengebühren in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV und in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV eingeführt. Die als Rahmengebühren anfallenden Geschäftsgebühren sind dadurch auf eine echte Anrechnungslösung entsprechend dem Vorbild von Vorbem. 3 Abs. 4 VV umgestellt worden. Dabei wurde in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV und in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV jeweils die Bestimmung aufgenommen, dass bei der Bemessung einer weiteren Geschäftsgebühr innerhalb eines Rahmens oder bei einer Betragsrahmengebühr nicht zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist. Hierdurch sollte klargestellt werden, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die vorgeschriebene Anrechnung berücksichtigt werden soll und nicht nochmals bei der konkreten Bestimmung der Gebühr für das nachfolgende Verfahren. Der Entwurf weist darauf hin, dass bei der Anwendung dieser Regelungen, die konkret anordnen, dass bei einer Betragsrahmengebühr nicht zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der Tätigkeit in der weiteren Angelegenheit infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist, in der Praxis immer wieder Probleme auftreten.

Deshalb soll der vorgeschlagene neue und allgemeiner formulierte § 14 Abs. 2 RVG die oben genannten Regelungen in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV und in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV ersetzen und die Absicht betonen, dass die Synergieeffekte, die bei einer fortschreitenden Befassung eintreten, ausschließlich durch die vorgeschriebene Gebührenanrechnung berücksichtigt werden sollen. Die Bestimmung der Höhe der zweiten Geschäftsgebühr soll danach so erfolgen, als sei die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Diese Regelung bezieht sich damit auf sämtliche Bemessungsmerkmale des § 14 Abs. 1 RVG.

Nur durch eine solche Vorgehensweise ist nach dem Entwurf gewährleistet, dass für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, deren Verfahrens- oder Geschäftsgebühr einer Anrechnung unterliegt, diese Gebühren vor Anrechnung in derselben Höhe anfallen wie für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die zuvor nicht tätig waren. Nur so werde eine Gleichbehandlung mit den Fällen erreicht, in denen – wie etwa in zivilprozessualen Mandaten – keine Rahmengebühren vorgesehen seien.

 

Beispiel 6

Der Rechtsanwalt war im Verwaltungsverfahren tätig. Gegen den dort ergangenen Bescheid erhebt er auftragsgemäß Widerspruch und wird im Nachprüfungsverfahren tätig. Die Tätigkeit in beiden Verfahren war umfangreich und schwierig, ansonsten aber durchschnittlich (Mittelgebühren).

Die Geschäftsgebühren des Anwalts betragen derzeit:

 
1. Geschäftsgebühr Verwaltungsverfahren, Nr. 2302 VV 345,00 EUR
2. Geschäftsgebühr Nachprüfungsverfahren, Nr. 2302 VV 345,00 EUR
  gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV – 172,50 EUR
  anzurechnen, 1/2 von 345,00 EUR  
  Gesamt 517,50 EUR

Die Vorbefassung im Verwaltungsverfahren darf nach Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV bei der Bemessung der Geschäftsgebühr des Nachprüfungsverfahrens nicht gebührenmindernd berücksichtigt werden.

Nach dem KostRÄG 2021 betragen die Geschäftsgebühren:

 
1. Geschäftsgebühr Verwaltungsverfahren, Nr. 2302 VV 414,00 EUR
2. Geschäftsgebühr Nachprüfungsverfahren, Nr. 2302 VV 414,00 EUR
  gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV – 207,00 EUR
  anzurechnen, 1/2 von 414,00 EUR  
  Gesamt 621,00 EUR

Nach dem geplanten § 14 Abs. 2 RVG ist die zweite Geschäftsgebühr gem. § 14 Abs. 1 RVG so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

2. Deckelung der Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren auf eine Verfahrensgebühr (Objektive Klagehäufung; § 15a RVG)

In der Rspr. ist umstritten, wie zu verfahren ist, wenn mehrere, in verschiedenen gebührenrechtlichen Angelegenheiten angefallene Gebühren auf eine und dieselbe Gebühr anzurechnen sind. Die Frage stellt sich insbesondere dann, wenn in verschiedenen Angelegenheiten Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV entstanden sind und diese Angelegenheiten dann in ein einheitliches gerichtliches Verfahren und damit in nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit münden, in der nur eine einzige Verfahrensgebühr entsteht. Nach der Rspr. des BGH[4] sind in diesen Fällen alle angefallenen Geschäftsgebühren nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV zur Hälfte bzw. je höchstens mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Das hat zur Folge, dass in den Fällen, in denen die Summe der anzurechnenden Beträge die Höhe der Verfahrensgebühr erreicht oder übersteigt, im gerichtlichen Verfahren wirtschaftlich gesehen keine Verfahrensgebühr mehr verbleibt. Nach der Gegenauffassung ist die Anrechnung in diesen Fällen in analoger Anwendung von § 15 Abs. 3 RVG beschränkt auf einen nach dem höchsten Anrechnungssatz aus dem Gesamtwert berechneten Betrag.[5]

 

Beispiel 7

Rechtsanwalt R wird außergerichtlich wegen eines Zugewinnausgleichsanspruchs (Wert: 10.000,00 EUR) sowie wegen der Auseinandersetzung der Haushaltsgegenstände (Wert: 4.000,00 EUR) tätig. Im Scheidungsverfahren (Wert: 4.000,00 EUR) werden der Zugewinnausgleichsanspruch sowie die Haushaltssache als Folgesachen anhängig gemacht.

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