ZPO §§ 3, 721 Abs. 3, 569 Abs. 1, Abs. 2, 572 Abs. 3
Leitsatz
Begehrt der Räumungsschuldner in einem selbstständigen Verfahren eine (Verlängerung der) Räumungsfrist nach § 721 ZPO, orientiert sich der Streitwert nach § 3 ZPO an dem Nutzungswert der zu räumenden Wohnung und an dem Zeitraum, für den die Verlängerung der Räumungsfrist beantragt wird.
LG Bamberg, Beschl. v. 15.4.2020 – 3 T 38/20
1 Sachverhalt
Die Räumungsschuldner wenden sich gegen den amtsgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die von ihnen zu ersetzenden Kosten des anwaltlichen Vertreters der Räumungsgläubigerin für ein eigenes Verfahren nach § 721 Abs. 3 ZPO auf Grundlage des Standardstreitwerts für Räumungsmietstreitigkeiten (Jahresnettomiete) festgesetzt wurden. Das LG gab der Kostenfestsetzungsbeschwerde der Schuldner statt, da sich der Streitwert zutreffenderweise nach dem Nutzungsentgelt der zu räumenden Wohnung für den beantragten Zeitraum des Räumungsaufschubs bestimme. Zugleich wies das LG die Sache an das AG zur erneuten Festsetzung der Anwaltskosten der Gläubigerin auf Grundlage des (reduzierten) Streitwertes zurück.
2 Aus den Gründen
I. Die gegen den amtsgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss zulässigerweise erhobene sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses.
1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde
Die am 9.3.2020 eingegangene, statthafte Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den am 22.2.2020 zugestellten Beschluss wahrt Form und Frist des § 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO und wurde daher zulässig erhoben.
2. Zur Begründetheit der Beschwerde
Zudem hat die Beschwerde – auch unter Berücksichtigung des wechselseitigen Beschwerdevorbringens – in der Sache Erfolg.
Zwar ist die Kostenfestsetzung zulasten der Beschwerdeführer dem Grunde nach nicht zu beanstanden, da diese ausweislich der Kostengrundentscheidung der betreffenden Ausgangsentscheidung des AG die Kosten der Beschwerdegegnerin zu tragen haben.
Jedoch hält die festgesetzte Höhe der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten i.H.v. 687,82 EUR einer rechtlichen Kontrolle nicht stand, da insoweit ein unzutreffender Streitwert zugrunde liegt. Der Verfahrensgebühr, die dem anwaltlichen Vertreter der Beschwerdegegnerin erwachsen ist, ist nicht der Standardstreitwert für Räumungsmietstreitigkeiten (hier Jahresnettomiete i.H.v. 9.099,00 EUR) zugrunde zu legen, sondern ein Streitwert i.H.v. 2.874,36 EUR, der nach § 3 ZPO für das (vom Hauptverfahren losgelöste) Verfahren nach § 721 Abs. 3 ZPO selbstständig zu bestimmen war. Begehrt der Räumungsschuldner in einem eigenen Verfahren eine (Verlängerung der) Räumungsfrist nach § 721 ZPO, bestimmt sich gem. § 3 ZPO der Streitwert nach dem Nutzungsentgelt für den beantragten Zeitraum des Räumungsaufschubs (vgl. dazu statt vieler Christian Rohn, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., 2018, Stichwort I. Streitwerte bei Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen und in WEG-Sachen Rn 53; Götz, in: MüKo zur ZPO, 5. Aufl., 2016, § 721 Rn 7 m.w.N.).
Die Festsetzung des Streitwerts für das gegenständlich zugrunde liegende separate Verfahren nach § 721 Abs. 3 ZPO orientiert sich demnach maßgeblich an dem Nutzungswert der zu räumenden Wohnung sowie an dem Zeitraum, für den die Verlängerung der Räumungsfrist beantragt wurde, hier für eine Dauer von 6 Monaten, wie der Antragsschrift der Beschwerdeführer/Räumungsschuldner ausdrücklich zu entnehmen ist.
Da zwischen den Parteien vorliegend streitig ist, welche Miete/Nutzungsentschädigung (netto) geschuldet ist (Gläubigerin: 581,10 EUR; Schuldner: 377,01 EUR), legt die Kammer den Mittelwert, mithin 479,06 EUR/Monat zugrunde. Daher ergibt sich für das kostenauslösende selbstständige Verfahren nach § 721 Abs. 3 ZPO vorliegend ein Streitwert i.H.v. 6 x 479,06 EUR = 2.874,36 EUR, an dem sich auch die Kosten anwaltlicher Vertretung der obsiegenden Räumungsgläubigerin zu orientieren haben.
Demzufolge belaufen sich die festsetzbaren anwaltlichen Kosten der Beschwerdegegnerin, den Streitwert i.H.v. 2.874,36 EUR zugrunde gelegt, auf 262,99 EUR (1 Verfahrensgebühr zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer) anstatt der festgesetzten 687,82 EUR.
Der angegriffene amtsgerichtliche Kostenfestsetzungsbeschluss war nach alledem aufzuheben.
II. Mit Blick auf den nach vorstehender Maßgabe neu zu erlassenden Kostenfestsetzungsbeschluss macht die Kammer von ihrem Ermessen nach § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch, statt einer eigenen ersetzenden Entscheidung die neue Sachentscheidung dem Untergericht zu übertragen (vgl. dazu Heßler, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 572 Rn 23).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
IV. Der Streitwert für die gegenständliche Kostenfestsetzungsbeschwerde wird mit Blick auf das Kostenvermeidungsinteresse der Beschwerdeführer gem. § 3 ZPO auf 424,83 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist die Differenz aus den (überhöht) festgesetzten Kosten i.H.v. 687,82 EUR und den (zutreffend) festzusetzenden Kosten i.H.v. 262,99 EUR.
V. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraus...