RVG VV Nr. 3101 Nr. 2; VwGO § 106 S. 2
Leitsatz
- Der Gebührentatbestand der Nr. 3101 Nr. 2 VV konkretisiert für den Fall des Mehrvergleichs das Betreiben des Geschäfts i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 2 VV und damit zugleich den für einen Prozess- oder Verfahrensauftrag i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 1 S. 1 VV notwendigen, aber auch hinreichenden Auftragsgegenstand.
- Das Entstehen einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV setzt daher keinen unbedingten Klageauftrag hinsichtlich der Ansprüche, die den Gegenstand des Mehrvergleichs bilden, voraus. Es genügt, wenn der Auftrag darauf gerichtet ist, dass i.S.d. Gebührentatbestands der Nr. 3101 Nr. 2 VV hinsichtlich nicht rechtshängiger Ansprüche vor Gericht über eine Einigung verhandelt oder eine Einigung protokolliert oder das Zustandekommen einer Einigung festgestellt werden soll.
- Ist hinsichtlich des Anspruchs, der den Gegenstand des Mehrvergleichs bildet, bereits ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung erteilt worden, muss der Auftrag eine (teilweise) Änderung erfahren haben, wenn der Gebührentatbestand der Nr. 3101 Nr. 2 VV eingreifen soll.
- Im verwaltungsgerichtlichen Prozess steht die Annahme eines in der Form eines Beschlusses unterbreiteten Vergleichsvorschlags des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters durch die Beteiligten nach § 106 S. 2 VwGO der in Nr. 3101 Nr. 2 VV genannten Feststellung des Zustandekommens einer Einigung nach § 278 Abs. 6 ZPO gleich.
OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2020 – 3 So 105/18
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer begehrt als beigeordneter Rechtsanwalt die Festsetzung einer höheren aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung.
Sein Mandant – der Antragsteller des Ausgangsverfahrens – bewarb sich zum Wintersemester 2017/2018 zunächst erfolglos um einen Studienplatz im zulassungsbeschränkten Bachelorstudiengang Betriebswirtschaftslehre an der Universität .... . Gegen den Ablehnungsbescheid ließ er durch den Beschwerdeführer Widerspruch einlegen und außerdem beim VG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer vorläufigen Zulassung zum Studium stellen. Das VG bewilligte für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung und ordnete ihm den Beschwerdeführer zur Vertretung bei.
Nachdem das VG mitgeteilt hatte, dass die Universität bereit sei, den beantragten Studienplatz vergleichsweise zuzuweisen, wandte sich der Beschwerdeführer mit einem schriftlichen Vergleichsangebot unmittelbar an die Prozessbevollmächtigten der Universität. Das Angebot beinhaltete u.a. die Verpflichtung der Universität, den Antragsteller des Ausgangsverfahrens zum Studium zuzulassen sowie dessen Verpflichtung, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzunehmen. Eine gesonderte Rücknahme des Widerspruchs sollte nach Zustandekommen des Vergleichs nicht erforderlich sein. Unter Hinweis auf dieses Vergleichsangebot beantragte der Beschwerdeführer, dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens auch für den Mehrvergleich zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Später nahm er den Eilantrag entsprechend dem außergerichtlichen Vergleich, dem die Universität zugestimmt hatte, zurück.
Das VG stellte das Verfahren daraufhin ein und setzte den Streitwert auf 3.750,00 EUR fest. Darüber hinaus bewilligte das VG dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens für den Mehrvergleich Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung und ordnete ihm den Beschwerdeführer zur Vertretung bei. Der Gegenstandswert für den Mehrvergleich wurde mit Beschluss des VG auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Hierauf hat der Beschwerdeführer beantragt, die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 880,46 EUR festzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dem Antrag i.H.v. 821,96 EUR entsprochen und den weitergehenden Antrag abgelehnt. Die von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Beschwerdeführers umfasste Vergütung berechne sich wie folgt:
1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV |
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327,60 EUR |
aus einem Streitwert von 3.750,00 EUR |
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1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV |
252,00 EUR |
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aus einem Streitwert von 3.750,00 EUR |
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1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV |
385,50 EUR |
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aus einem Streitwert von 5.000,00 EUR |
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nach § 15 Abs. 3 RVG |
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445,50 EUR |
aber nicht mehr |
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als 1,5-Einigungsgebühr |
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aus einem Streitwert von 8.750,00 EUR |
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Postpauschale nach Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 1a VV |
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28,86 EUR |
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821,96 EUR |
Die ferner geltend gemachte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV aus einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR werde von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich nicht umfasst. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das VG zurückgewiesen: Die Mitwirkung des Erinnerungsführers an dem Mehrvergleich habe keine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV ausgelöst, da diese Mitwirkung nicht Ausdruck eines unbedingten Prozessauftrags, sondern seines vorprozessualen Mandats gewesen sei. Ebenso ...