§ 58 Abs. 2 RVG; Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG
Leitsatz
Ist der Anwalt in einem sozialgerichtlichen Verfahren im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden und ergibt sich ein anteiliger Kostenerstattungsanspruch gegen die beklagte Behörde, der auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens umfasst, so ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach § 58 Abs. 2 RVG so zu berechnen, dass der Anwalt nicht mehr erhält als die volle Wahlanwaltsvergütung auf Geschäfts- und Verfahrensgebühr.
Bayerisches LSG, Beschl. v. 24.2.2021 – L 12 SF 161/20
I. Sachverhalt
Der beschwerdeführende Anwalt hatte die beiden Kläger (Mutter und Sohn) in den Verfahren S 10 AS 421/15, S 10 AS 422/15 und S 10 AS 423/15 vertreten. Gegenstand der Klagen waren Ansprüche nach dem SGB II aufgrund eines Erbfalls. Der Beschwerdeführer erhob für die Kläger jeweils Klage zum SG Halle und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Nach Verweisung der Streitigkeiten an das zuständige SG Nürnberg wurden diese unter dem führenden Aktenzeichen S 10 AS 421/15 verbunden. Der Beschwerdeführer gab sodann eine ausführliche Klagebegründung ab. Nachdem den Klägern ab Klageerhebung PKH bewilligt und der Beschwerdeführer zu den Bedingungen eines im Bezirk des SG Nürnberg ansässigen Rechtsanwaltes beigeordnet worden war, gab der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung ein Teilanerkenntnis ab. I.Ü. wurden die Klagen für erledigt erklärt. Der Beklagte erklärte sich bereit, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
II. Die Kostenfestsetzung gegen Gegner aufgrund Quote
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von dem Beklagten an die Kläger für die drei Verfahren zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt 1.518,98 EUR (= 1/2 von 3.037,96 EUR) unter Zugrundelegung von jeweils einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 Nr. 1 VV sowie einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV i.H.v. 300,00 EUR zzgl. Erhöhungstatbestand für mehrere Auftraggeber nach Nr. 1008 VV i.H.v. 90,00 EUR unter Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV i.H.v. jeweils 175,00 EUR fest. Dabei ging die Urkundsbeamtin ohne die im Sachverhalt leider nicht näher benannten weiterer Auslagen von folgenden Beträgen aus:
S 10 AS 421/15 |
|
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 175,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
320,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
S 10 AS 422/15 |
|
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 175,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
S 10 AS 423/15 |
|
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 175,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Die hiergegen erhobene Erinnerung des Beschwerdeführers mit dem Begehren, eine Anrechnung lediglich i.H.v. jeweils 75,00 EUR vorzunehmen, da der Beklagte lediglich die Hälfte der Geschäftsgebühren (300,00 EUR : 2 = 150,00 EUR) zu zahlen habe, blieb ohne Erfolg.
Der Beklagte erstattete dem Beschwerdeführer sodann den festgesetzten Betrag i.H.v. 1.518,98 EUR. Hierbei zahlte der Beklagte auf die Geschäftsgebühren jeweils (390,00 EUR : 2 =) 195,00 EUR und auf die Verfahrensgebühren jeweils (390,00 EUR : 2 – 175,00 EUR] =) 107,50 EUR.
III. Vergütungsfestsetzung gegen die Landeskasse
1. Der Antrag
Anschließend beantragte der Beschwerdeführer, die aus der Staatskasse zu zahlende PKH-Vergütung für das führende Verfahren S 10 AS 421/15 (einschließlich der hinzuverbundenen Verfahren S 10 AS 422/15 und S 10 AS 423/15) auf restliche 805,93 EUR festzusetzen. Wie schon im Antrag auf Kostenfestsetzung nahm er bei der Verfahrensgebühr, die er für jedes Verfahren mit 300,00 EUR ansetzte, eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV jeweils i.H.v. 75,00 EUR (= 1/2 der von dem Beklagten gezahlten Geschäftsgebühr i.H.v. 150,00 EUR) vor. Dabei rechnete er (ohne weitere Auslagen) wie folgt:
S 10 AS 421/15 |
|
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 75,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
320,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Pauschale für Kopien und Ausdrucke, Nr. 7000 VV |
29,50 EUR |
Summe |
684,50 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
130,06 EUR |
Summe mit Umsatzsteuer |
814,56 EUR |
S 10 AS 422/15 |
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen |
– 75,00 EUR |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Summe |
335,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
63,65 EUR |
Summe mit Umsatzsteuer |
398,65 EUR |
S 10 AS 423/15 |
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
300,00 EUR |
Erhöhungstatbestand, Nr. 1008 VV |
90,00 EUR |
gem... |