In Rspr. und Lit. war zur früheren Fassung der Nr. 4100 VV die Abgrenzung des Abgeltungsbereichs der Grundgebühr zur Verfahrensgebühr umstritten. Z.T. ist schon damals davon ausgegangen worden, dass für den Rechtsanwalt, der sich in einen Strafrechts- (oder OWi-)Fall einarbeitet, nicht nur die Grundgebühr, sondern zugleich daneben immer auch die Verfahrensgebühr als Betriebsgebühr entsteht. Z.T. ist das aber auch unter Hinweis auf den eigenen Abgeltungsbereich der Grundgebühr anders gesehen worden. Nach der Aufnahme der klarstellenden Ergänzung – "neben der Verfahrensgebühr" – in die Anm. 1 zur Nr. 4100 VV durch das 2. KostRMoG ist dieser Streit jetzt aber erledigt. Nach der Gesetzesbegründung entsteht mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des "Betreibens des Geschäfts" entgolten. Außerdem entsteht daneben immer auch eine Grundgebühr Nr. 4100 VV. Diese honoriert den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV hat also den "Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert. Sie ist damit ihrem Charakter nach eine besondere Verfahrensgebühr, die das Betreiben des Geschäfts in Form von vom Rechtsanwalt erbrachten (besonderen) Einarbeitungstätigkeiten honoriert."
Diese gesetzliche Klarstellung/Änderung hat aber nichts daran geändert, dass die Grundgebühr einen eigenen Abgeltungsbereich (vgl. dazu III. 3. b)). hat und auch nach der Klarstellung durch das 2. KostRMoG behalten hat, was durch die Begründung zur Neuregelung noch deutlicher wird als in der Vergangenheit. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Bemessung der Grundgebühr und vor allem auf die Bemessung der daneben anfallenden jeweiligen Verfahrensgebühr. Denn die Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst werden, können bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nicht (noch einmal) herangezogen werden. Das wird in der Praxis i.d.R. aber nun dann deutlich werden, wenn das Mandat noch in der Einarbeitungsphase endet. Denn dann wird im Zweifel der zusätzliche Aufwand durch die Einarbeitung, der von der Grundgebühr Nr. 4100 VV abgegolten wird, überwiegen und dazu führen, dass die Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG geringer zu bemessen ist als bei einer Mandatsbeendigung in späteren Verfahrensphasen. Die Auswirkungen auf die Bemessung können zudem auch noch in denjenigen Fällen Bedeutung erlangen, in denen im Fall der Verbindung die Verbindung erfolgt, bevor der Abgeltungsbereich der Grundgebühr verlassen ist.
Als Faustregel wird man davon ausgehen können, dass die Verfahrensgebühr umso geringer ist, je früher das Mandant endet. I.Ü. ist im Zweifel der Abgeltungsbereich der Grundgebühr schnell überschritten und werden die dann (noch) erbrachten Tätigkeiten von der jeweils auch entstehenden Verfahrensgebühr erfasst.
Beispiel 5
Der Beschuldigte B ruft bei Rechtsanwalt R an und teilt mit, dass gegen ihn ein Strafverfahren anhängig sein soll. Er bittet R, ihn zu verteidigen. R sagt das zu und fordert den B auf, einen Vorschuss von 500,00 EUR zu zahlen. Inzwischen werde er Akteneinsicht beantragen. Nach erfolgter Akteneinsicht werde ein Besprechungstermin vereinbart werden. B überlegt sich dann jedoch, lieber einen ihm auch empfohlenen Spezialisten zu beauftragen. Er meldet sich deshalb am anderen Tag bei R und kündigt das Mandat. R, der bis dahin lediglich einen Akteneinsichtsantrag gestellt hat, überlegt nun, wie er bei der Abrechnung die Grundgebühr Nr. 4100 VV und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV bemisst.
Diese Konstellation ist einer der wenigen Fälle, in denen die oben dargestellten Auswirkungen bei der Bemessung der Gebühren zum Tragen kommen. R hat hier noch nicht mehr als einen ersten Akteneinsichtsantrag erbracht. Der gehört aber noch zu den Einarbeitungstätigkeiten, die von der Grundgebühr abgegolten werden. Das bedeutet, dass damit für den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV keine Tätigkeiten, die darüber abzurechnen wären, zur Verfügung stehen. Daher wird diese – je nach der Bedeutung des Verfahrens, den Einkommens- und Vermögensverhältnisses des B – wahrscheinlich im unteren Rahmenbereich anzusetzen sein. Ggfs. ist sogar nur die Mindestgebühr entstanden.