1. Einmaligkeit der Gebühr
a) Verfahrensstadium
Nach Anm. 1 zu Nr. 4100 VV entsteht die Grundgebühr im Verfahren nur einmal. Das gilt selbstverständlich auch, wenn der Rechtsanwalt zunächst als Wahlanwalt tätig ist und dann später als Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Für ihn als Pflichtverteidiger entsteht dann die Grundgebühr nicht noch einmal, er kann sie aber über § 48 Abs. 6 S. 1 RVG als gesetzliche Gebühr geltend machen. Das Entstehen ist jedoch ausdrücklich unabhängig davon, in welchem Verfahrensstadium die Einarbeitung erfolgt. Die Grundgebühr entsteht "in jeder Lage des Verfahrens".
Beispiel 1
Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er verteidigt sich beim AG zunächst selbst. Seinen (späteren) Verteidiger Rechtsanwalt R sucht er erst auf, nachdem er vom AG verurteilt worden ist, um ihn mit seiner Verteidigung zu beauftragen. Rechtsanwalt R legt zunächst Berufung ein.
Rechtsanwalt R erhält, obwohl er erst im Berufungsverfahren erstmals mit der Sache befasst ist, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV.
Entsprechendes gilt, wenn später ein anderer Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung der Revision gegen das landgerichtliche Urteil beauftragt wird. Auch er erhält, obwohl er erst im Revisionsverfahren beauftragt wird, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV.
Beispiel 2
Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er sucht sofort Rechtsanwalt R auf und beauftragt ihn mit seiner Verteidigung. Rechtsanwalt R führt später auch das Berufungs- und das Revisionsverfahren.
Rechtsanwalt R erhält nur einmal eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV, obwohl er für den Beschuldigten in mehreren Verfahrensabschnitten tätig geworden ist. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Rechtsanwalt für den B in verschiedenen Angelegenheiten – vorbereitendes Verfahren, gerichtliches Verfahren 1. Instanz, Berufungs- und Revisionsverfahren – tätig geworden ist und nach § 15 RVG an sich in jeder dieser Angelegenheiten die Grundgebühr entstehen könnte. Die Anm. 1 zu Nr. 4100 VV legt in Abweichung davon ausdrücklich fest, dass die Grundgebühr nur einmal entsteht.
b) Personenbezogen "einmalig"
Die Beschränkung "nur einmal" in der Anm. 1 ist aber nicht verfahrensbezogen zu verstehen mit der Folge, dass die Grundgebühr im Verfahren überhaupt nur einmal entstehen könnte. Sie ist vielmehr nur personenbezogen einmalig zu verstehen. Das bedeutet, dass die Grundgebühr im Verfahren so oft entstehen kann, wie sich unterschiedliche Verteidiger in die Sache einarbeiten. Die Formulierung "nur einmal" in der Nr. 4100 VV war wegen der Regelung in § 17 Nr. 1 RVG erforderlich, da der Rechtsanwalt danach sonst in jedem Rechtszug eine Grundgebühr hätte fordern können. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV entsteht allerdings in der Person desselben Verteidigers dann mehrmals, wenn ein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vorliegt, wenn also ein erledigtes Strafverfahren nach Ablauf von zwei Kalenderjahren wieder aufgenommen wird.
Die Frage, ob die Grundgebühr Nr. 4100 VV überhaupt entstanden ist, darf nicht – was häufig in der Rspr. aber leider der Fall ist – mit der Frage verwechselt werden, ob der Angeklagte nach einem Anwaltswechsel die bei mehreren von ihm beauftragten Verteidigern entstandenen Grundgebühren auch erstattet verlangen kann. Das ist nur der Fall, wenn der Anwaltswechsel notwendig i.S.d. § 464a Abs. 2 StPO, § 91 Abs. 2 ZPO gewesen ist. Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nämlich nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalt ein Wechsel eintreten musste.
Beispiel 3
Dem Beschuldigten B wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er wird beim AG von Rechtsanwalt R 1 verteidigt. Nachdem B vom AG verurteilt worden ist, beauftragt er Rechtsanwalt R 2 mit der Einlegung und Durchführung des Berufungsverfahrens. Die Berufung hat keinen Erfolg. B sucht sich nun noch einen weiteren Verteidiger Rechtsanwalt R 3, der ihn im Revisionsverfahren vertritt.
Sowohl Rechtsanwalt R 1, als auch Rechtsanwälte R 2 und auch R 3 erhalten jeweils die Grundgebühr, da diese nicht verfahrensbezogen nur einmal entsteht, sondern personenbezogen.
Beispiel 4
Der Angeklagte A wird vom AG wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Auf seine Berufung wird das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Es ergeht eine für den Angeklagten positive Kostengrundentscheidung.
Beim AG ist der Angeklagte von Rechtsanwalt P als Pflichtverteidiger vertreten worden, im Berufungsverfahren trat ausschließlich Rechtsanwalt W als Wahlverteidiger auf, die Beiord...