1. OWi-/Strafverfahren
Ist wegen derselben Tat oder Handlung, die Gegenstand der erstmaligen Einarbeitung im Strafverfahren gewesen ist, bereits ein OWi-Verfahren geführt worden und ist insoweit bereits eine Grundgebühr nach Nr. 5100 VV entstanden, wird diese nach Anm. 2 zu Nr. 4100 VV auf die nach Nr. 4100 VV entstehende Grundgebühr für das Strafverfahren angerechnet. Für den Begriff "derselben Tat oder Handlung" gilt der prozessuale Tatbegriff des § 264 StPO. Entscheidend ist also, dass das OWi-Verfahren wegen desselben einheitlichen geschichtlichen Vorgangs geführt worden ist.
Beispiel 12
Der Beschuldigte hat falsch überholt. Deswegen wird ein Bußgeldverfahren gegen ihn bei der Verwaltungsbehörde geführt. Durch das falsche Überholen ist es zu einem Verkehrsunfall gekommen. Nach dem Unfall hat sich der Beschuldigte unerlaubt vom Unfallort entfernt. Da dies zunächst nicht bekannt war, wird zunächst nur ein OWi-Verfahren geführt. Nach Bekanntwerden des unerlaubten Entfernens wird das Verfahren von der Bußgeldbehörde gem. § 41 OWiG an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Diese führt das Verfahren nun auch wegen eines Verstoßes gegen § 142 StGB.
Rechtsanwalt R verteidigt den Betroffenen/Beschuldigten sowohl im OWi-Verfahren als auch im sich anschließenden Strafverfahren. Er erhält zwar über eine entsprechende Anwendung von § 17 Nr. 10b RVG sowohl für das OWi-Verfahren als auch für das Strafverfahren eine Grundgebühr. Auf die im Strafverfahren entstandene Grundgebühr nach Nr. 4100 VV wird jedoch die Grundgebühr des OWi-Verfahrens nach Nr. 5100 VV angerechnet. Beide Verfahren werden wegen "derselben Tat" i.S.d. § 264 StPO betrieben.
Betreffen Bußgeldverfahren und Strafverfahren unterschiedliche Taten oder Handlungen, entstehen die Grundgebühren nach Nr. 4100 VV und Nr. 5100 VV gesondert. Eine Anrechnung findet nicht statt. Es ist auch unerheblich, in welcher Reihenfolge Straf- und Bußgeldverfahren betrieben werden.
2. Straf-/OWi-Verfahren
Ist wegen derselben Tat oder Handlung, die Gegenstand der erstmaligen Einarbeitung im OWi-Verfahren ist, bereits ein Strafverfahren geführt worden und ist insoweit bereits eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entstanden, entsteht für das OWi-Verfahren nach Anm. 2 zu Nr. 5100 VV die Gebühr nach Nr. 5100 VV nicht noch einmal. Das entspricht der in Anm. 2 zu Nr. 4100 VV vorgesehenen Anrechnungsregelung für den umgekehrten Fall und ist Folge davon, dass das Strafverfahren und ein sich ggfs. anschließendes OWi-Verfahren nach § 17 Nr. 10b RVG ausdrücklich als verschiedene Angelegenheiten behandelt werden. Für den Begriff "derselben Tat oder Handlung" gilt der prozessuale Tatbegriff des § 264 StPO (s. vorstehend V. 1. am Ende).
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 10/2021, S. 443 - 453