§ 42 RVG

Leitsatz

Zur (Un-)Zulässigkeit eines Antrages des Wahlverteidigers auf Feststellung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG nach Stellung eines Kostenfestsetzungsantrages und wirksamer Ausübung seines Bestimmungsrechts nach § 14 Abs. 1 RVG.

OLG Jena, Beschl. v. 21.5.2021 – (S) AR 104/20

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten in einem Verfahren als Wahlverteidiger verteidigt. Das Verfahren ist nach § 154 StPO vorläufig eingestellt worden. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Mit Schriftsatz vom 23.4.2020 stellte der Rechtsanwalt den Antrag, notwendige Auslagen im Umfang von 2.352,25 EUR zu seinen Gunsten festzusetzen. Dies lehnte die Rechtspflegerin mit Beschl. v. 6.8.2020 unter Bezugnahme auf die zugunsten der Pflichtverteidigerin bereits erfolgte Festsetzung ab (§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO). Gegen diesen Beschluss legte der Wahlverteidiger am 12.8.2020 sofortige Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist. Im Beschwerdeverfahren stellte er mit Schriftsatz vom 14.9.2020 auch einen Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr gem. § 42 RVG durch das OLG. Das OLG hat, nach Übertragung der gem. § 42 Abs. 2 RVG auf den Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rspr., den Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

II. Bisherige Entscheidungen des OLG

Bislang hat das OLG Jena zur Zulässigkeit eines Antrages nach § 42 RVG in zwei Verfahren Stellung genommen. Im Verfahren 1 AR S 72/07 (AGS 2008, 174 = StRR 2008, 158 = RVGreport 2008, 25) hat es über eine Fallgestaltung entschieden, in welcher der Verteidiger erst nach rechtskräftiger Festsetzung der gesetzlichen Gebühren einen Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG gestellt hatte. Dieser Umstand sei – so das OLG – für die Unzulässigkeit des Antrages maßgebend gewesen. Die Formulierung in diesem Beschluss – "die Folge dieser in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung ist, dass der Wahlverteidiger die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragen muss, in dem die durch das Oberlandesgericht getroffene Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren noch Berücksichtigung finden kann" – könne aber insoweit nur als obiter dictum verstanden werden.

Dem weiteren Beschluss des OLG Jena im Verfahren AR (S) 25/10 (AGS 2011, 287 = RVGreport 2010, 414 = StRR 2011, 79) habe eine andere Fallgestaltung zugrunde gelegen. In dem Verfahren sei der Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers vom 23.10.2008 abgelehnt worden und im folgenden Abhilfeverfahren sei vom LG mit Beschl. v. 2.12.2009 eine Kostenfestsetzung erfolgt. Der bereits zuvor, ebenfalls am 23.10.2008, gestellte Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr, der als Antrag nach § 42 RVG auszulegen gewesen sei, sei dem Senat erstmals am 8.4.2010 vorgelegt. Der Senat habe diesen Antrag als (nicht mehr) zulässig zurückgewiesen, weil der Verteidiger mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 23.10.2008 sein Ermessen gegenüber der Staatskasse ausgeübt hatte. Zwar hätten die Rechtspflegerin und die Vertreterin der Staatskasse nicht bedacht, dass bei einer gleichzeitigen Antragstellung auf Kostenfestsetzung und Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG die Akten dem OLG zunächst zur Entscheidung über den Antrag nach § 42 RVG hätten vorgelegt werden müssen, jedoch habe es der Antragsteller selbst in der Hand gehabt, der rechtskräftigen Festsetzung der Gebühren unterhalb der Grenzen des § 42 RVG durch Einlegung von Rechtsmitteln entgegen zu wirken.

In der Entscheidung habe der Senat indes bereits unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Celle vom 29.7.2008 (AGS 2008, 546 = RVGreport 2008, 382 = NStZ-RR 2009, 31) dargelegt:

Zitat

"Mit dem Kostenfestsetzungsantrag hat der Verteidiger sein Ermessen nach § 14 Abs. 1 RVG gegenüber der Staatskasse ausgeübt. Der Rechtsanwalt ist an dieses einmal ausgeübte Ermessen bei der Bestimmung der angefallenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens gebunden (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, § 14 RVG Rn 4; Hartmann Kostengesetze, § 14 Rn 12)".

III. Entscheidung im konkreten Fall

Vorliegend hat das OLG nun – erstmals – über eine Fallgestaltung zu befinden, in der der Wahlverteidiger einen Kostenfestsetzungsantrag – hier am 23.4.2020 – gestellt und in dem er sein Ermessen nach § 14 RVG durch Beantragung der jeweiligen höchsten Rahmengebühren geltend gemacht, er gegen den ablehnenden Beschluss der Rechtspflegerin Beschwerde eingelegt und erst im Beschwerdeverfahren einen Antrag nach § 42 RVG gestellt hat. Dieser Antrag sei unter Anwendung der bereits im Senatsbeschluss in AR (S) 25/10 (a.a.O.) in Bezug genommenen Rechtsauffassung unzulässig. Mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 23.4.2020 habe der Verteidiger sein Bestimmungsrecht nach § 14 Abs. 1 RVG wirksam ausgeübt. An dieses einmal ausgeübte Ermessen bei Bestimmung der Billigkeit der angefallenen Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens sei der Verteidiger gebunden (vgl. Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 24. Aufl., § 14 Rn 4). Die Ausübung des Ermessens sei Bestimmung der Leistung durch den Verteidiger und erfolge gem. § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Mandanten bzw. au...

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