Nr. 7008 VV RVG
Leitsatz
Wendet der Anwalt in Erfüllung seines Mandats Reisekosten für öffentliche Verkehrsmittel auf, darf er nur die gezahlten Nettobeträge in seine Abrechnung aufnehmen und muss darauf dann 19 % Umsatzsteuer erheben. Das gilt auch dann, wenn die aufgewandten Reisekosten mit einem geringeren Umsatzsteuersatz belegt sind.
VG Würzburg, Beschl. v. 27.4.2021 – W 3 M 20.2128
I. Sachverhalt
Nach Abschluss des Verfahrens vor dem VG beantragte die Bevollmächtigte der Antragstellerin die Kostenfestsetzung, darunter auch die Kosten für zwei Bahnfahrten zum Termin zur mündlichen Verhandlung in Höhe. Zur Glaubhaftmachung legte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die entsprechenden Belege vor, die Fahrtkosten i.H.v. netto 17,24 EUR zzgl. 5 % Umsatzsteuer auswiesen, also insgesamt 18,10 EUR. Zur Erstattung angemeldet wurden diese Kosten in Höhe des Nettobetrages (17,24 EUR), zzgl. 19 % Umsatzsteuer, insgesamt also 20,00 EUR. Der Urkundsbeamte hat diese Fahrtkosten lediglich i.H.v. 18,10 EUR berücksichtigt, also unter Berücksichtigung eines Umsatzsteuersatzes von lediglich 5 %. Dies wurde damit begründet, dass in den nachgewiesenen und Bahnfahrtkosten bereits die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten sei. Für diese könne daher nicht erneut die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV festgesetzt werden. Der hiergegen gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dem der Urkundsbeamte nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
II. Auch die Auslagen sind mit 19% zu versteuern
Unstreitig sind für die Bahnfahrt Nettokosten i.H.v. 17,24 EUR angefallen, die der Anwalt auch abrechnen kann. Die darauf erhobene Umsatzsteuer (hier 5 %) darf der Anwalt seinem Mandanten nicht in Rechnung stellen. Es handelt sich für ihn insoweit um einen durchlaufenden Posten. Der Anwalt ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass er die in den Reisekosten enthaltene Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt beim Vorsteuerabzug geltend machen kann und letztlich erstattet erhält. Würde der Anwalt den vollen Bruttobetrag einsetzen, würde er sich insoweit ungerechtfertigt bereichern, da er dann die Umsatzsteuer einmal vom Mandanten erhielte und ein weiteres Mal im Wege des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt. Auf die gesamte Nettovergütung (einschließlich der Netto-Reisekosten) ist dann allerdings Umsatzsteuer zu erheben, soweit die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig ist. Insoweit ist die gesamte Nettovergütung einheitlich mit 16 % Umsatzsteuer zu versteuern, da für den Anwalt dieser Steuersatz gilt. Dieser Steuersatz gilt sowohl für die Hauptleistung (Gebühren) als auch für Nebenleistungen (Auslagen). Das führt dann dazu, dass Auslagen, die einem geringeren Umsatzsteuersatz unterliegen (hier 5 %), letztlich gegenüber dem Mandanten mit einem höheren Umsatzsteuersatz (hier 16 %) versteuert werden. Dass damit der sozialpolitische Zweck, bestimmte Leistungen gegenüber dem Verbraucher mit einem geringeren Umsatzsteuersatz zu belegen, unterlaufen wird, ist insoweit hinzunehmen. Ausgehend hiervon ist die Abrechnung der Verfahrensbevollmächtigten zutreffend. Sie hat die Nettobeträge in ihrer Aufstellung eingesetzt und darauf dann den zum Zeitpunkt der Abrechnung gültigen Umsatzsteuersatz von 16 % erhoben.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist zutreffend. Soweit der Anwalt zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, was der Regelfall ist, darf er Auslagen, die er aufwendet, nur in Höhe der Nettobeträge in seine Rechnung aufnehmen. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erhält er ja im Wege des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt rückvergütet. Auf diese Nettobeträge ist dann die jeweils gültige Umsatzsteuer zu erheben (also im Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 – wie hier) mit 16 % und i.Ü. mit 19 %. Ist die Tätigkeit des Anwalts ausnahmsweise einmal umsatzsteuerfrei, etwa weil er als Kleinunternehmer optiert oder weil der Verbrauchermandant seinen Wohnsitz außerhalb der EU hat, dann wird keine Umsatzsteuer erhoben. Unerheblich ist, welcher Umsatzsteuersatz in den Auslagen enthalten ist. Auch dann, wenn in den Auslagen nur ein geringerer Umsatzsteuersatz von 5 % oder 7 % enthalten ist, muss der Anwalt in seiner Abrechnung 16 % bzw. 19 % Umsatzsteuer erheben. Der Anwalt muss ja auch dann Umsatzsteuer erheben, wenn in der Auslage gar keine Umsatzsteuer enthalten ist, wie z.B. bei der Aktenversendungspauschale (BGH NJW 2011, 3041). Dass diese Art der Weiterberechnung insoweit zu Ungerechtigkeiten führen kann, als der Verbraucher letztlich einen höheren Umsatzsteuersatz zu zahlen hat, wenn z.B. in den Taxikosten nur 7 % Umsatzsteuer enthalten sind, der Anwalt die Taxikosten aber mit 19 % gegenüber dem Mandanten abrechnen muss, ist hinzunehmen. Der Mandant bezahlt ja nicht das Taxi, sondern den Anwalt. I.Ü. ist ja auch der umgekehrte Fall denkbar, etwa, dass der Anwalt anlässlich eines Termins im ersten Halbjahr 2020 Kosten für eine Bahnfahrt inklusive 19 % Umsatzsteuer aufgewandt hat, er dann aber im zweiten Halbjahr gegenüber dem Mandanten nur 16 % abrechnen kann.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 10/2021, S. 460 - 461