aa) Auftragslage
Bei der außergerichtlichen Geltendmachung einer Forderung aus einer Inkassodienstleitung kann sich zudem die Frage stellen, ob hierfür lediglich eine 0,3-Geschäftsgebühr Nr. 2301 VV zu erheben ist. Diese fällt nur an, wenn sich der Auftrag auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt. Ein Schreiben einfacher Art liegt vor, wenn dieses weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält.
Aus der Regelungssystematik der Nrn. 2300 ff. VV ergibt sich, dass es sich bei der Gebühr Nr. 2301 VV nicht um eine eigenständige Gebühr, sondern um einen Ermäßigungstatbestand für die Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 VV handelt. Auch die i.S.d. Nr. 2301 VV ermäßigte Gebühr entsteht daher für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV).
Maßgebend ist damit auch hier die konkrete Auftragserteilung. Erteilt der Gläubiger dem Rechtsanwalt keinen umfassenden außergerichtlichen Inkasso-Vertretungsauftrag, sondern soll nur ein Schreiben einfacher Art i.S.d. Nr. 2301 VV gefertigt werden, so kann nur eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,3 gefordert werden.
Beispiel 1: Auftrag zur Fertigung eines einfachen Schreibens
Der Rechtsanwalt wird beauftragt, eine Handelsregisteranfrage vorzunehmen.
Der Rechtsanwalt war mit der Fertigung eines einfachen Schreibens beauftragt, für das die 0,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV entsteht.
Umgekehrt gilt, dass in den Fällen, in denen sich die nach außen entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, der Auftrag hingegen umfassender erteilt war, Nr. 2301 VV nicht einschlägig und die Gebühr nach Nr. 2300 VV zu bemessen ist.
Beispiel 2: Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung und anschließendes einfaches Schreiben
Der Rechtsanwalt wird mit der außergerichtlichen Einziehung einer Forderung beim Schuldner beauftragt (Vertretung) und fertigt anschließend das entsprechende zweizeilige Aufforderungsschreiben.
Der Rechtsanwalt war umfassend mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt, sodass die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV entsteht. Unerheblich ist, dass tatsächlich nur ein einfaches Schreiben gefertigt wird. Anspruch auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV hat ein Rechtsanwalt nur dann, wenn auftragsgemäß dem erstellten einfachen Schreiben umfangreiche Prüfungen oder Überlegungen vorausgegangen sind. Der Umstand, dass die Tätigkeit nicht umfangreich oder schwierig war, muss bei der Gebührenbemessung gem. § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden.
bb) Fehlende Beauftragung und Strafbarkeit
Wenn ein Rechtsanwalt im Falle der Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen, das massenhaft Kleinforderungen beitreibt, nach zwei vergeblichen Mahnungen dieses Unternehmens eine Anwaltsmahnung an den jeweiligen Schuldner versendet, in der mitgeteilt wird, dass neben der Hauptforderung sowie den bisherigen Kostenforderungen des Inkassounternehmens Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV nebst Auslagenpauschale entstanden sind, kann dies nach der Rspr. des BGH den Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) erfüllen, wenn keine Bevollmächtigung durch den jeweiligen Gläubiger stattgefunden hat. Der Schaden bei einem Betrug durch die Geltendmachung von rechtsgrundlosen Rechtsanwaltskosten könne in Höhe der Differenz zwischen den geltend gemachten Gebühren (hier: 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV) und der dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühr (hier: 0,3-Geschäftsgebühr für einfaches Schreiben nach Nr. 2301 VV) liegen.
Fehlt es an einem Auftrag, beschränkt sich der Aufwendungsersatzanspruch des Rechtsanwalts aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf eine 0,3-Geschäftsgebühr Nr. 2301 VV. Das gilt insbesondere dann, wenn die unter den Anwaltsbriefköpfen erstellten Mahnschreiben weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthalten, es sich vielmehr um standardisierte Formularschreiben handelt, die unter Verwendung elektronischer Datensätze automatisiert erstellt und an die Schuldner versendet werden und eine anwaltliche Prüfung der angemahnten Forderungen oder der Zweckmäßigkeit einer nochmaligen vorgerichtlichen Mahnung in jedem Einzelfall den Mahnschreiben nicht vorausging.
Darüber hinaus stellt sich hier auch die Frage, ob überhaupt noch eine nach dem RVG zu vergütende anwaltliche Tätigkeit vorliegt (vgl. nachfolgend unter f)).