Die in § 13 Abs. 2 RVG geregelte Mindestgebühr i.H.v. 30,00 EUR sowie die Schwellengebühr in Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV setzen voraus, dass die Inkassoforderung unbestritten ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass im Falle des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner die Gebühr in Anbetracht des bei einem Bestreiten der Forderung höheren Arbeitsaufwands nicht auskömmlich wäre. Der Umfang der rechtlichen Prüfung und damit des Aufwands des Rechtsanwalts unterscheide sich in der Regel wesentlich danach, ob eine unbestrittene Forderung beigetrieben werden solle oder infolge eines Bestreitens des Schuldners auch die Berechtigung der Forderung und die Erfolgsaussichten ihrer Durchsetzung zu prüfen seien.
Es ist also zwischen bestrittenen und unbestrittenen Forderungen zu unterscheiden. Für bestrittene Forderungen gilt die Mindestgebühr in § 13 Abs. 1 RVG i.H.v. 49,00 EUR sowie die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 und einer Schwellengebühr i.H.v. 1,3.
Vom Schuldner nicht bestrittene Forderungen unterfallen bei Werten bis 50,00 EUR dem Regime der Mindestgebühr nach § 13 Abs. 2 RVG i.H.v. 30,00 EUR sowie der 0,5- bis 1,3-Geschäfts- und 0,9-Schwellengebühr in Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV.
Es kommt deshalb darauf an, welche Forderungen als vom Schuldner nicht bestritten anzusehen sind.
Beispiel 1
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt, weil der Schuldner deren Zahlung gegenüber dem Mandanten ausdrücklich abgelehnt hat.
Wird eine vom Schuldner bereits gegenüber dem Auftraggeber bestrittene Forderung geltend gemacht, bleibt es bei der Mindestgebühr i.H.v. 49,00 EUR sowie dem Gebührensatzrahmen von 0,5 bis 2,5.
Beispiel 2
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Mandant weist darauf hin, dass er den Schuldner selbst noch nicht zur Zahlung aufgefordert hat. Der Schuldner zahlt auf die erste Zahlungsaufforderung.
Weil der Schuldner weder gegenüber dem Auftraggeber noch gegenüber dem Rechtsanwalt die Forderung bestritten hat und auf die erste Aufforderung hin zahlt, gelten die Beschränkungen aus § 13 Abs. 2 RVG und Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV. Es dürfte sich auch um einen einfachen Fall handeln, sodass eine 0,5-Gebühr zu erheben ist.
Beispiel 3
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Mandant weist darauf hin, dass er den Schuldner selbst zur Zahlung aufgefordert, dieser aber darauf nicht reagiert hat. Der Schuldner zahlt, nachdem ihm der Rechtsanwalt die Forderung in einem weiteren Schreiben erläutert hat. Die Zahlung hatte der Schuldner nicht grds. abgelehnt.
Weil der Schuldner weder gegenüber dem Auftraggeber noch gegenüber dem Rechtsanwalt die Forderung bestritten hat und die Forderung nach Erläuterung zahlt, liegt eine unbestrittene Forderung vor und gelten die Beschränkungen aus § 13 Abs. 2 RVG und Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV. Es handelt sich allerdings nicht um einen einfachen Fall, weil keine Zahlung auf eine bloße Zahlungsaufforderung vorliegt. Die 0,5-Gebühr kommt daher nicht in Frage.
Beispiel 4
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Mandant weist darauf hin, dass er den Schuldner selbst zur Zahlung aufgefordert, dieser aber darauf nicht reagiert hat. Der Schuldner verweigert die Zahlung, nachdem ihm der Rechtsanwalt die Forderung in einem weiteren Schreiben erläutert hat.
Es liegt eine bestrittene Forderung vor. Es reicht aus, wenn eine zunächst unbestrittene Forderung erst nach dem ersten Tätigwerden des Rechtsanwalts bestritten wird; dann entfallen die in § 13 Abs. 2 RVG und Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV enthaltenen Beschränkungen.
Beispiel 5: Warenrücksendung
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Schuldner verweigert die Zahlung unter Hinweis darauf, dass er die bestellte Ware zurückgesandt hat.
Beispiel 6: Falsche Abrechnung, Personenverwechslung
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Schuldner verweigert die Zahlung unter Hinweis darauf, dass er nichts bestellt hat bzw. eine Namensverwechslung vorliegen muss.
Beispiel 7: Identitätsdiebstahl
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Schuldner verweigert die Zahlung unter Hinweis darauf, dass seine persönlichen Daten missbräuchlich für die Bestellung benutzt worden sind.
Beispiel 8: Fehlende Fälligkeit
Der Rechtsanwalt wird mit der Geltendmachung einer Forderung beauftragt. Der Schuldner verweigert die Zahlung unter Hinweis darauf, dass eine Stundung mit dem Gläubiger vereinbart worden ist.
In den Beispielen 5 bis 8 liegen bestrittene Forderungen vor. Die in § 13 Abs. 2 RVG und Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV enthaltenen Beschränkungen entfallen.
Fazit
Weil der Begriff der Inkassodienstleitung in § 2 Abs. 2 RDG nach der Rspr. des BGH weit auszulegen ist (s. Abschnitt B. I. 2. f)), erscheint die kostenrechtliche Verwendung in § 13 Abs. 2 RVG und Anm. Abs. 2 zu Nr. 2300 VV proble...