1. Vorab zwei Anmerkungen:
a) Der Beschluss ist am 12.9.2019 ergangen, veröffentlicht worden ist er auf der Homepage des BGH erst am 13.9.2022. Warum zwischen Erlass und Veröffentlichung drei Jahre liegen, erschließt sich nicht.
b) Geltend gemacht worden sind vom Pflichtverteidiger 1.785,85 EUR für die Kopien. Das ist ausweislich der Gründe des BGH-Beschlusses der Nettobetrag. Prüft man diesen an der Vorgaben der Nr. 7000 Nr. 1a VV, dann lässt sich m.E. der Betrag anhand der im Beschluss mitgeteilten Umstände nicht nachvollziehen. Denn: Von den 1.785,85 EUR sind die ersten 50 abzurechnenden Seiten je Seite 0,50 EUR abzuziehen, also 25,00 EUR. Verbleiben also 1.760,85 EUR für die weiteren Seiten. Für sie werden ggfs. jeweils 0,15 EUR erstattet. D.h., dass der Pflichtverteidiger 11.739 weitere Seiten kopiert haben müsste. Nach den Ausführungen des BGH ist die Verfahrensakte bis "einschließlich Band 5" kopiert worden, eine genaue Anzahl der Seiten macht der BGH nicht. Geht man davon aus, dass ein Band Akten aus jeweils 400 Blatt besteht und unterstellt man weiter, dass jeweils Vorder- und Rückseite kopiert werden mussten, was m.E. jeweils zugunsten des Pflichtverteidigers günstige Annahmen sind, dann waren danach 5 x 800 Blatt = 4.000 Blatt zu kopieren. Das führt aber nur zu einem Betrag von 3.950 Blatt (4.000 Blatt – 50 Blatt "erste Seiten") x 0,15 EUR = 592,50 EUR. Zzgl. der o.a. 25,00 EUR ergibt sich danach nur ein Erstattungsbetrag von (netto) 617,50 EUR, der dann aber doch im eklatanten Widerspruch zu den geltend gemachten 1.785,85 EUR steht.
2. I.Ü.: Vermutlich wird der ein oder andere Verteidiger den BGH für diesen Beschluss rügen wollen und beanstanden, dass der BGH es den Verteidigern hinsichtlich der Abrechnung von Kopien aus der Gerichtsakte unnötig schwer macht. Das ist m.E. jedoch nicht berechtigt, vielmehr muss man m.E. unabhängig von der sich nach den Ausführungen zu 1. b) stellenden Frage die "Dickfelligkeit" des Pflichtverteidigers rügen.
Im Einzelnen:
a) Die allgemeinen/grundsätzlichen Ausführungen des BGH entsprechen dem RVG und der darauf beruhenden Rspr. der OLG. Hier ist allerdings zu berücksichtigen ist, dass es hier zwar um Ausdrucke aus einer elektronischen – dem Verteidiger vorliegenden – Akte geht, der BGH den hier vorgenommenen Ausdruck wegen der Besonderheiten des Einzelfalls – zögerliche Zurverfügungstellung eines Laptops durch den GBA – behandelt wie Kopien aus der/einer Papierakte (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 7000 VV Rn 91 ff.). Danach gilt, dass der Rechtsanwalt zwar die gesamte (Papier-)Akte kopieren darf/kann, aber eben nicht schematisch, sondern nur, worauf der BGH zutreffend hinweist, soweit diese zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten oder zur notwendigen Unterrichtung des Auftraggebers erforderlich war. Hierfür ist die Sicht eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Rechtsanwalts maßgeblich (vgl. wegen der Einzelheiten Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 7000 VV Rn 62 ff. m.w.N.). Stellt man in diese Prüfung dann noch mit ein, dass – so auch der BGH – auch Verfahrensart und Verfahrensstadium zu berücksichtigen sind, dann erschließt sich ohne Weiteres die Argumentation des BGH. Denn der BGH hat, was seinen Ausführungen (oben unter III.) deutlich zu entnehmen ist, einen Erstattungsanspruch nicht grds. verneint, sondern sieht ihn in diesem Fall vielmehr als grds. gegeben an. Anders ist der Hinweis auf "den verstrichenen Zeitraum von März bis Juli 2019", bei dem sich "aufdrängt", dass die Notwendigkeit zur Vorbereitung einer sachgerechten Verteidigung, die Ermittlungsakten jedenfalls teilweise auszudrucken, bestanden habe, nicht zu verstehen. Vereinfacht ausgedrückt: Du, Pflichtverteidiger, hättest hier, weil der Generalbundesanwalt mit dem Zurverfügungstellen eines Laptops für den Beschuldigten nicht voran machte, ausdrucken dürfen, wenn … .
b) Und bei dem "wenn" liegt dann das Versagen des Verteidigers, denn: Der BGH hält daran fest bzw. bestätigt die OLG-Rspr., wonach die Beweislast für die Notwendigkeit des Ausdrucks beim Verteidiger/Rechtsanwalt liegt. Das mag man für falsch ansehen, ist aber h.M., gegen die ein Anlauf nicht lohnt, sondern auf die man sich einstellen muss. Und es war hier nun wahrlich nicht viel, was der BGH gern vom Pflichtverteidiger gelesen hätte (s. dazu oben III. a.E.). Die vermissten Angaben sind schnell gemacht und hätten, so verstehe ich den BGH, zur Erstattung geführt.
Es bestand m.E. auch kein Problem hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht. (§ 43a Abs. 2 BRAO bzw. § 2 BORA). Denn bei den vom BGH gewünschten/erwarteten Angaben handelt es sich um solche, die unter § 2 Abs. 3b BORA fallen dürften. Von daher: Die "Dickfelligkeit" des Verteidigers ist nicht nachzuvollziehen und stört ersichtlich auch den BGH, der deutlich darauf hinweist, dass der Verteidiger die Angaben noch nicht einmal nach einem Hinweis des Rechtspflegers gemacht hat.
3. M.E. ist diese (Einzelfall-)Entscheid...