Es kommt nicht häufig vor, dass Gerichte auf eine unzulässige Beschwerde gegen die gerichtliche Streitwertfestsetzung auch zu den vorgetragenen Einwendungen Stellung nehmen. Hier hat das das OLG Dresden getan.
1. Grundsätzlich keine gestaffelte Streitwertfestsetzung
In der Sache hat das OLG völlig Recht. In einem Zivilprozess fällt im Regelfall nur eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen an, die in erster Instanz nach Nr. 1210 GKG KV mit einem Satz von 3,0 berechnet wird. Diese Gebühr wird gem. § 6 Abs. 1 S. 1 GKG mit der Einreichung der Klage- oder Antragsschrift fällig und fällt gleichzeitig an. Deshalb ist nach § 40 GKG die Berechnung des Streitwertes der Zeitpunkt derjenigen Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet, in erster Instanz also die Klageeinreichung. Dies hat zur Folge, dass werterhöhende oder wertverringernde Umstände nach Klageeinreichung bei unverändertem Verfahrensgegenstand für die Streitwertberechnung unberücksichtigt bleiben (NK-GK/N. Schneider, 3. Aufl., 2021, § 40 GKG Rn 2).
2. Erhöhung des Streitwertes
Anders ist es, wenn sich der Streitgegenstand im Laufe des Verfahrens ändert. Dies kann entweder aufgrund einer Klageänderung, Klageerweiterung oder dann geschehen, wenn durch Gegenanträge, wie etwa die Erhebung einer Widerklage, sich der Streitwert erhöht. In einem solchen Fall ist ab dem Zeitpunkt dieser Klageänderung/Widerklageerhebung gem. § 40 GKG die Wertänderung zu berücksichtigen. Dies erfordert jedoch keine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung, da gem. § 63 Abs. 2 GKG der Streitwert nach Beendigung des Rechtsstreits festgesetzt wird. Dabei sind zwischenzeitliche Erhöhungen des Streitwertes durch bspw. Klageerweiterung oder Widerklageerhebung mit zu berücksichtigen. Hat der Kläger als Kostenschuldner in einem solchen Fall die gerichtliche Verfahrensgebühr nach dem geringeren Streitwert gezahlt, ist der Differenzbetrag, der sich aus dem nunmehr erhöhten Streitwert ergibt, nachzuerheben.
3. Keine Verringerung des Streitwertes
Demgegenüber wirkt sich eine nachträgliche Reduzierung der Anträge (Klageantrag oder Widerklageantrag) auf den Streitwert nicht aus. Eine einmal nach einem bestimmten Streitwert angefallene Verfahrensgebühr im Allgemeinen entfällt nämlich nachträglich auch nicht teilweise (NK-GK/N. Schneider, a.a.O., § 40 GKG Rn 4). Folglich kann sich der Streitwert bspw. durch eine nachträgliche (Teil-)Klagerücknahme nicht mehr vermindern, die gerichtliche Verfahrensgebühr berechnet sich vielmehr nach dem vor der Klagerücknahme zum Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblichen Streitwert (OLG München AGS 2021, 39 = JurBüro 2020, 660; OLG Hamm NJW-Spezial 2021, 59). Dies wird in der Praxis immer wieder verkannt (s. den Fall des 4. ZS des OLG Dresden AGS 2022, 465 [Hansens], in diesem Heft). Eine nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen gestaffelte Streitwertfestsetzung ist vielmehr unzulässig.
4. Gegenstandswert bei den Anwaltsgebühren
Für den Prozessbevollmächtigten ist dies anders. Er erhält zu Beginn des Rechtsstreits meist nicht nur eine einzige Gebühr, nämlich die Verfahrensgebühr, sondern im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens weitere Gebühren wie etwa die Terminsgebühr oder die Einigungsgebühr. Die diesen Gebühren zugrunde liegenden Anwaltstätigkeiten können infolge Veränderungen des Verfahrensgegenstandes nach unterschiedlichen Gegenstandswerten zu berechnen sein. So führt eine vor Aufruf der Sache wirksam gewordene teilweise Klagerücknahme dazu, dass sich die für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins anfallende Terminsgebühr unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme nach einem geringeren Gegenstandswert als die Verfahrensgebühr berechnet.
Völlig zu Recht weist das OLG Dresden darauf hin, dass in einem solchen Fall der Rechtsanwalt einen Antrag auf gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes gem. § 33 Abs. 2 RVG stellen kann. Dann erfolgt aber eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes. Die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG bleibt hiervon unberührt. Dies hat seine Grundlage in den unterschiedlichen Gebührensystemen für die Gerichtsgebühren einerseits und für die im gerichtlichen Verfahren entstehenden Anwaltsgebühren andererseits.
5. Verfahrensweise des Rechtsanwalts
Hat das Prozessgericht unzulässig den Streitwert nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen festgesetzt, so kann der Prozessbevollmächtigte hiergegen aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG Beschwerde gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG einlegen und die gestaffelte Wertfestsetzung rügen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beschwerdewert 200,00 EUR übersteigt, wenn das Prozessgericht gegen seine Entscheidung nicht die Beschwerde zugelassen hat.
Unabhängig von der Zulässigkeit einer Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten kann dieser aber auch gem. § 33 Abs. 2 RVG die gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren beantragen. Dies kommt insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen sich die gerichtliche Tätigkeit mit der Tätigkeit des Anwalts nicht deck...