Die Bedeutung der Entscheidung für die Praxis dürfte enorm hoch sein. Soweit bekannt, handelt es sich um die erste "echte" Entscheidung zum Thema "Verfahrensdauer" eines Beratungshilfeverfahrens. In der Praxis dürfte es zudem "unzählige" Verfahren geben, deren Sachbearbeitung "schlummern" und auf dauerhafte Wiedervorlage liegen, weil Eingaben nicht erfolgen, das Verfahren offensichtlich nicht weiter betrieben und häufig sodann gerichtlich nach 6 Monaten "weggelegt" wird. Auch in diesem Verfahren verwundert es, woraus ein "Schaden" resultieren soll.
1. Kein Schaden, weil Leistung erfolgt ist.
Es liegt ein sog. nachträglicher Beratungshilfeantrag vor. Gem. §§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 BerHG ist – anstelle der persönlichen Antragstellung bei Gericht – der Direktzugang zur Beratungsperson möglich. Wird eine Beratungsperson im Rahmen der Beratungshilfe unmittelbar vom Bürger aufgesucht (§§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2 BerHG), kann der nachträgliche Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe bei Gericht gestellt werden. In allen Fällen der nachträglichen Antragstellung ist die 4-Wochen-Frist des § 6 Abs. 2 BerHG zu beachten (s. hierzu Lissner, RVGreport 2017,162ff.). Die Frist beginnt mit der Beratungshilfetätigkeit durch die Beratungsperson zu laufen. Sollte die Angelegenheit bereits innerhalb der 4-Wochen-Frist erledigt sein, so kann die Beratungsperson den schriftlichen oder elektronischen Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe zeitgleich mit ihrem Liquidationsantrag bei Gericht einreichen. Hier bedarf es keiner Erteilung eines Berechtigungsscheines mehr. Insoweit verweist das Liquidationsformular Anlage 2 zu § 1 Nr. 2 BerHFV weiterhin auch "auf den beigefügten Antrag auf Bewilligung" von Beratungshilfe. Vorliegend genügt dann eine entsprechende nachträgliche Bewilligung der innerhalb der 4-Wochen-Frist abgeschlossenen Beratungshilfeleistung, welche auch in der antragsgemäßen Auszahlung konkludent gesehen werden kann. In den Fällen, in denen die Erledigung der Rechtssache nicht innerhalb von 4 Wochen erledigt ist, muss als erster Schritt zunächst die Beantragung der nachträglichen Beratungshilfe innerhalb der 4-Wochen-Frist erfolgen. Hierauf wird das Gericht – sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind – den Berechtigungsschein erteilen bzw. die Bewilligung der Beratungshilfe aussprechen. Dem Sachverhalt ist es letztlich nicht genau zu entnehmen, ob binnen 4 Wochen die Beratungsleistung erledigt wurde, oder ob ein weiterer Fortgang angedacht war. Jedenfalls ist aber angesichts der Entscheidung des KG davon auszugehen, dass die Rechtsuchende "ihre" Beratungshilfeleistung bereits erhalten hat, ihr Bedürfnis nach Rechtsauskunft daher erledigt war. Ein "Schaden" kann hieraus folglich nicht ersichtlich werden.
2. Kein Schaden, weil keine Honorarnote geltend gemacht werden kann
Grds. kann ein Schadensersatzanspruch nur dann entstehen – über den Rahmen des § 198 GVG hinaus –, wenn auch ein Schaden eintritt. Solange über einen Beratungshilfeantrag nicht entschieden wurde, ist es einem Rechtsanwalt als Beratungsperson verwehrt, seine Honorarnote abzurechnen. Folglich ist insoweit auch kein Schaden ersichtlich. Die "Belastung", wie von der Rechtsuchenden dargelegt – wegen einer überlangen Dauer –, hätte eigeninitiativ auch dadurch umgangen werden können, indem auf die gerichtliche Zwischenverfügung reagiert worden wäre.
3. Obacht bei "brachliegenden" Anträgen
Gleichwohl sollte zukünftig darauf geachtet werden, dass Anträge nicht auf dauerhafte Wiedervorlage gelegt, sondern irgendwann "entschieden" werden. Durch die Entscheidung des KG ist jedenfalls klargestellt, dass "normalerweise" wenig zu befürchten ist. Gleichwohl gibt es keinen Grund, Verfahren zu zögerlich zu verbescheiden.
Dipl.-RPfl. Stefan Lissner, Konstanz
AGS 10/2022, S. 456 - 458