§ 56c StGB; § 465 StPO; §§ 114 ff. ZPO
Leitsatz
- Die Kosten von Drogenscreenings im Rahmen von Bewährungsweisungen sind nach dem Veranlassungsprinzip zwar grundsätzlich vom Verurteilten zu tragen, weil die Screenings durch seine Straftaten erst erforderlich geworden sind. Die Zurechnung dieser Kosten aber findet ihre Grenze im verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot, einfachrechtlich in der Zumutbarkeitsklausel des § 56c Abs. 1 S. 2 StGB.
- Bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit des Betroffenen können die Kosten subsidiär der Staatskasse auferlegt werden. Als Maßstab für die hierzu erforderliche Beurteilung der Unzumutbarkeit könnte auf die Regelungen analog der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) zurückgegriffen werden.
OLG Dresden, Beschl. v. 31.8.2022 – 2 Ws 144/22
I. Sachverhalt
Die Verurteilte ist wegen diverser Drogendelikte mehrfach verurteilt worden. Nach einer Teilverbüßung einer der Strafen habe die beteiligten Staatsanwaltschaften als zuständige Vollstreckungsbehörden die (teilweise weitere) Strafvollstreckung mit Zustimmung der jeweiligen erstinstanzlichen Gerichte gem. § 35 Abs. 1 BtMG zur Aufnahme einer Drogenabstinenztherapie zurückgestellt. Im Sommer 2019 sind dann die nach Anrechnung der erfolgreichen Therapiezeit verbliebenen Strafreste gem. § 36 Abs. 1 S. 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Weisungsanordnungen der Gerichte sahen jeweils u.a. vor, dass sich die Verurteilte zur Kontrolle ihrer weiteren Drogenabstinenz bis zu 4 x (bzw. bis zu 6 x) entsprechenden Untersuchungen von Urin- und/oder Haarproben zu unterziehen habe, deren Intervalle von der Bewährungshilfe vorgegeben würden. Die hierfür anfallenden Kosten seien von der Verurteilten selbst zu tragen.
Mit Schreiben vom 26.1.2022 teilte die Bewährungshilfe in Rahmen eines Berichts aus besonderem Anlass mit, dass die Lebensumstände der Verurteilten derzeit kaum feststellbar konstant seien. Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin die in den Ausgangsbeschlüssen getroffenen Weisungen dahin abgeändert, dass sich die Verurteilte den jeweiligen Urinkontrollen durch den "TÜV Thüringen zu unterziehen [habe], wobei die Kosten für die Screenings der Staatskasse auferlegt werden, solange die Verurteilte Arbeitslosengeld II bezieht." Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Verurteilte Zur Begründung ist ausgeführt, sie habe keine Veranlassung gegeben, "weitere Weisungen", erteilt oder verschärft zu bekommen, zumal sie den bisherigen Anordnungen beanstandungsfrei nachgekommen sei. Insbesondere die Verpflichtung, die künftigen Drogenfreiheitsnachweise ausschließlich über den TÜV Thüringen erbringen zu können, sei wegen der damit verbundenen wesentlich höheren Kosten unverhältnismäßig. Ihre bisherigen – negativ ausgefallenen – Nachweise habe ihre Krankenkasse übernommen, zumal dies im Therapieabschlussbericht vorgegeben worden sei. Sofern ihre derzeitige Suche nach einem Arbeitsplatz Erfolg zeitigen und sie deshalb ihre Bezugsberechtigung für ALG II verlieren sollte, wäre sie mit erheblichen Mehrkosten belastet, was bei der Anzahl von bis zu sechs Screenings pro Jahr unzumutbar sei. Ein Änderungsbedarf habe nicht vorgelegen. Die Strafvollstreckungskammer hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sachen dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde war erfolgreich.
II. "Unzumutbare Verschärfung" der Weisung
Nach Auffassung des OLG beanstandet die Verurteilte zu Recht eine "unzumutbare Verschärfung" der Weisung dadurch, dass die TÜV Thüringen Fahrzeug GmbH & Co. KG mit den Untersuchungen beauftragt worden sei. Nach dem Abschlussbericht der Rehabilitationseinrichtung sei es unmaßgeblich, welche Einrichtung die Untersuchung vornehme, sofern sie selbst nach DIN EN ISO/IEC 17025 für forensisch toxikologische Untersuchungen akkreditiert sei oder die Analyse in einem Labor mit einer solchen Akkreditierung vornehmen lasse; dies könne auch vom Hausarzt oder dem für den Wohnort der Beschwerdeführerin zuständigen Gesundheitsamt oder einer anderen geeigneten Person erfolgen.
III. Haarproben
Das OLG hat außerdem neben der Untersuchung von Urinproben auch die Untersuchung (und damit die Entnahme) von Haarproben zugelassen. Diese Anordnung unterliege mangels Erheblichkeit des Eingriffs keinem Einwilligungsvorbehalt der Verurteilten nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB (vgl. OLG München, Beschl. v. 8.4.2014 – 2 Ws 278/14; v. 6.7.2010 – 1 Ws 655/10, 1 Ws 656/10; a.A. OLG München, Beschl. v. 9.6.2010 – 3 Ws 457/10; OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.12.2011 – 1 Ws 551–552/11).
IV. Kostenübernahme
1. Grundsätzlich Veranlassungsprinzip
Zur Kostenübernahme für die zur Erfüllung der Weisung(en) erforderlichen Untersuchungen verweist das OLG darauf, dass eine gesetzliche Regelung zur Übernahme der Kosten für diese Anordnungen nicht bestehe. Zwar bestimme § 465 StPO grundsätzlich, dass die Kosten eines Strafverfahrens vom Verurteilten zu tragen sind; hierzu gehörten auch die Kosten der Vollstreckung (§ 464a Abs. 1 S. 2 StPO). Aufwendungen zur Erfüllung einer Weisung nach § 56c StGB zählen aber nicht hierzu, da es sich dabei nicht um Kosten für die ...