§ 51 RVG
Leitsatz
Zur Zuerkennung einer Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühr im Auslieferungsverfahren.
OLG Hamburg, Beschl. v. 9.8.2022 – 5 S AR 13/22
I. Sachverhalt
Gegen den lettischen Verfolgten bestand ein Europäischer Haftbefehl der lettischen Behörden zur Strafverfolgung. Nachdem der Verfolgte am 13.11.2020 vorläufig festgenommen wurde und ihm die Rechtsanwältin als Rechtsbeistand bestellt wurde, hat das OLG mit Beschl. v. 17.11.2020 die förmliche Auslieferungshaft angeordnet. Der Verfolgte war mit einer vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden. Die Rechtsanwältin beantragte am 8.12.2020, die Auslieferung an die Republik Lettland zur Strafverfolgung wegen drohender menschenrechtswidriger Unterbringung im lettischen Strafvollzug für unzulässig zu erklären. Zur Begründung zitierte sie umfangreich aus der internationalen Rspr. und aus Kommissionsberichten. Vor dem Hintergrund des Vortrags der Rechtsanwältin veranlasste das OLG die Generalstaatsanwaltschaft, sich um eine Zusicherung der lettischen Behörden wegen bestimmter Haftbedingungen zu bemühen. Nach Erhalt einer Auskunft der lettischen Behörden erklärte das OLG mit Beschl. v. 8.1.2021 die Auslieferung erstmals für zulässig. Mit Schriftsatz vom 14.1.2021 erhob die Antragstellerin gegen diese Entscheidung eine Anhörungsrüge und trug unter Hinweis auf entsprechende Nachweise vor, dass die Auskunft der lettischen Behörden unzureichend sei. Mit Beschluss vom 20.1.2021 hat das OLG die Anhörungsrüge zurückgewiesen.
Mit Beschl. des BVerfG v. 2.2.2021 wurde auf Antrag der Rechtsanwältin einstweilen die Auslieferung des Verfolgten untersagt, weil die Auskunft der lettischen Behörden als unzureichend erachtet wurde. Dies veranlasste das OLG, sich am 12.5.2021 um eine ausdrückliche Zusicherung der Einhaltung bestimmter Haftbedingungen bei den lettischen Behörden zu bemühen. Mit Beschluss vom 22.6.2021 erklärte das OLG nach Erhalt einer ergänzenden Auskunft die Auslieferung nach Lettland erneut für zulässig.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.6.2021 erneut eine ausführlich begründete Anhörungsrüge. Durch Beschl. v. 5.7.2021 entschied das OLG, dem Verfolgten wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Auslieferung bis zu einer erneuten Entscheidung des OLG aufzuschieben. Mit Beschl. v. 12.7.2021 erklärte das OLG dann die Auslieferung erneut für zulässig, die am 19.7.2021 umgesetzt wurde.
Die Antragstellerin hält die Pflichtverteidigergebühren für unangemessen und beantragt für ihre Tätigkeit das Dreifache der Pflichtverteidigergebühren im ersten Verfahren – bis zur Entscheidung des BVerfG – und das Vierfache der Pflichtverteidigergebühren im zweiten Verfahren – nach der Entscheidung des BVerfG, insgesamt 2.340,00 EUR als Pauschgebühr. Der Vorsitzende des für das Auslieferungsverfahren zuständigen Strafsenats des OLG hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, dass die mehrfach unzureichenden Auskünfte und Zusicherungen der lettischen Behörden zu einem "erforderlichen Mehraufwand" geführt hätten. Das OLG hat eine Pauschgebühr i.H.d. Wahlanwaltshöchstgebühren, also insgesamt 1.449,00 EUR bewilligt.
II. Besonders schwieriges und umfangreiches Auslieferungsverfahren
Das OLG nimmt zu § 51 Abs. 1 S. 1 RVG Stellung und verweist darauf, dass nach der Rspr. des BVerfG (NStZ-RR 2007, 359 f.) die Bestellung zum Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken sei. Sinn der Pflichtverteidigung sei es aber nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Ihr Zweck bestehe vielmehr ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet werde. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe habe der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liege, sei durch einen vorn Gesetzgeber i.S.d. Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt sei. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinne die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger allerdings existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebiete das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt.
Gemessen an diesen Grundsätzen sei die durch § 51 Abs. 1 S. 1 RVG in den Blick genommene besondere ...