§§ 68 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG; § 32 RVG
Leitsatz
- Die ausdrücklich "namens und in Vollmacht der Antragsteller" durch einen Rechtsanwalt eingelegte Streitwertbeschwerde ist regelmäßig unzulässig, weil eine Partei durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwertes nicht beschwert werden kann.
- Eine Auslegung oder Umdeutung eines solchen Antrags in eine im eigenen Namen des Rechtsanwalts eingelegte Beschwerde kann nicht allein darauf gestützt werden, dass infolge der fehlenden Beschwer für die Partei nur eine Beschwerde des Anwalts vernünftig und interessengerecht wäre.
OLG Dresden, Beschl. v. 15.8.2022 – 4 W 422/22
I. Sachverhalt
In dem vor dem LG Leipzig geführten Rechtsstreit ging es um Unterlassungsansprüche der Kläger wegen einer Bild- und Wortberichterstattung der Beklagten. Für die im Berufungsverfahren allein anhängige Wortberichterstattung hat das OLG Dresden den Streitwert auf 30.000,00 EUR festgesetzt. Grundlage hierfür war der Umstand, dass sich die Klage gegen mehrere Beklagte richtete und es um mehrere Artikel im Rahmen der beanstandeten Berichterstattung ging.
In erster Instanz hatte das LG Leipzig den Streitwert in nicht mitgeteilter Höhe festgesetzt. Gegen die landgerichtliche Streitwertfestsetzung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit dem am 5.7.2022 eingegangenen Schriftsatz "namens (und) in Vollmacht der Antragsteller" eine Heraufsetzung des Streitwertes erster Instanz begehrt. Zur Begründung hat der Rechtsanwalt auf "unsere" Gegenvorstellung vom 30.6.2022, in der allein auf die Abänderung von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GKG und auf "unseren Schriftsatz vom 7.4.2022", in dem erstmals eine Streitwertheraufsetzung beantragt worden war, Bezug genommen.
Das LG Leipzig hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen. Das OLG Dresden hat auf die Beschwerde den Streitwert für die erste Instanz wie folgend festgesetzt: 50.000,00 EUR bis 27.9.2021, 40.000,00 EUR vom 28.9. bis 7.11.2021 und 30.000,00 EUR ab dem 8.11.2021.
II. Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes
1. Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG ist gegen den Beschluss, durch den der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Streitwert festgesetzt worden ist, die Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt. Die Beschwerde findet gem. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG auch dann statt, wenn das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in seinem Beschluss zugelassen hat. Nach § 68 Abs. 1 S. 3 GKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Abs. 3 S. 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden ist. Diese Frist betrifft die Änderung der gerichtlichen Streitwertfestsetzung von Amts wegen, die nur innerhalb von 6 Monaten zulässig ist, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen waren hier erfüllt.
2. Beschwer der Kläger
Ferner ist die Streitwertbeschwerde nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer beschwert ist. Die Beschwer einer Partei setzt grds. voraus, dass sie zur Zahlung oder Erstattung von Anwalts- oder Gerichtskosten verpflichtet ist und sie einen geringeren Streitwert als festgesetzt geltend macht. Im Erfolgsfalle der Beschwerde treffen diese Partei dann aufgrund der Herabsetzung des Streitwertes geringere Kosten. Vorliegend hat die Klägerin jedoch nicht die Herabsetzung, sondern die Erhöhung des vom LG festgesetzten Streitwertes beantragt.
Das OLG Dresden hat darauf hingewiesen, dass eine Partei durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwertes regelmäßig nicht beschwert ist (BGH RVGreport 2010, 38 [Hansens]). Besondere Umstände, die abweichend hiervon eine Beschwer der Kläger wegen der ihrer Ansicht nach zu niedrigen Streitwertfestsetzung begründen könnten, sind nach den Erkenntnissen des OLG nicht ersichtlich gewesen. Die Partei könne die Streitwertbeschwerde auch nicht dazu nutzen, durch die Erhöhung des Streitwertes das finanzielle Risiko der (erstattungspflichtigen) Gegenpartei an der Prozessführung zu steigern (BGH WuM 2012, 114).
3. Beschwer des Prozessbevollmächtigten
Das OLG Dresden ist hier allerdings – anders als es der Wortlaut der Beschwerde nahelegt – von einer Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Kläger selbst ausgegangen. Diesen stehe gem. § 32 Abs. 2 S. 2 RVG ein eigenes Beschwerderecht zu.
a) Auslegung der Beschwerde
Nach den weiteren Ausführungen des OLG Dresden ist im Zweifel zugunsten eines Verfahrensbeteiligten davon auszugehen, dass er mit dem eingelegten Rechtsbehelf das bezwecke, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Verfahrensbeteiligten entspricht. Dementsprechend sei anerkannt, dass eine mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts eingelegte Beschwerde im Zweifel aus eigenem Recht des Rechtsanwalts eingelegt sei.
b) Streitstand über die Auslegung
Ob dies aber auch bei einer ausdrücklich "namens und für" eine Partei eingelegten Beschwerde ...