§ 73 InsO; §§ 17, 18 InsVV
Leitsatz
- Die Angemessenheit des Stundensatzes für die Vergütung der Mitglieder eines Gläubigerausschusses orientiert sich an Art und Umfang der Tätigkeit, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, Verantwortung und Haftungsrisiken sowie Qualifikation der Mitglieder des Gläubigerausschusses.
- Bei umfangreichen Verfahren kommt auch ein Betrag jenseits der Betragsrahmenobergrenze als Stundenhonorar in Betracht, sofern nur damit dem Grundsatz der angemessenen Vergütung genüge getan werden kann.
- Die Vergütung kann dabei nicht in unterschiedlicher Stundensatzhöhe bei ein und demselben Mitglied des Ausschusses festgesetzt werden.
LG Darmstadt, Beschl. v. 22.2.2022 – 5 T 175/21
I. Sachverhalt
Über ein großes Handelsunternehmen wurde das Insolvenzverfahren zunächst vorläufig eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet, später dann das Verfahren endgültig eröffnet und der Ausschuss beibehalten. Der Betrieb wurde mit dem Ziel der Sanierung fortgeführt. Als weiteres Merkmal verzeichnete die Schuldnerin neben der Hauptniederlassung zahlreiche weitere Standorte, auch im Ausland. Sie belieferte zudem Kunden in über 40 Ländern ohne eigene Präsenz. Nach Eröffnung wurde ein Insolvenzplan bei Gericht eingereicht, dem die drei Mitglieder des Gläubigerausschusses zustimmten. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 16.6.2020 wurde der eingesetzte Gläubigerausschuss beibehalten. Das AG bestätigte mit Beschl. v. 26.6.2020 den Insolvenzplan. Vor der Verfahrensaufhebung wurde durch das betroffene Gläubigerausschussmitglied ein Antrag auf Festsetzung der Vergütung als Gläubigerausschussmitglied nach § 73 InsO i.H.v. 17.399,38 EUR eingereicht und mit späterem Schreiben ein (modifizierender) Antrag auf abweichende Festsetzung i.H.v. nunmehr 25.175,73 EUR gestellt. Ergänzend wurde ein Antrag auf Festsetzung der Kosten der Haftpflichtversicherung (anteilig 4.998,00 EUR) gestellt. Das AG hat mit Beschluss die Vergütung des betreffenden Ausschussmitglieds auf insgesamt 4.740,33 EUR (Vergütung: 4.040,00 EUR; Auslagen: 700,33 EUR) festgesetzt. Hierbei legte es – abgestuft nach der Art der Tätigkeit – einen Stundensatz von bis zu 95,00 EUR zugrunde.
Das AG hat sodann mit Beschluss die Vergütung ergänzend auf insgesamt 5.118,20 EUR (Vergütung: 4.040,00 EUR; Auslagen: 5.818,53 EUR; abzgl. bereits festgesetzter 4.740,33 EUR) festgesetzt. Kurz danach wurde das Verfahren durch das AG aufgehoben. Das betroffene Gläubigerausschussmitglied hat mit Schreiben vom 14.8.2020 sofortige Beschwerde eingelegt und eine Festsetzung der Vergütung und Auslagen auf insgesamt 28.001,97 EUR beantragt. Die Festsetzung sei fehlerhaft und willkürlich. Angemessen sei ein Stundensatz i.H.v. 250,00 EUR. Argumentiert wurde, dass das Mitglied das einzige Gläubigerausschussmitglied "vom Fach" gewesen sei und nationale und internationale Marktkenntnisse, die in der Eigenverwaltung gerade für den M&A-Prozess dringend geboten erschienen, vorzuweisen gehabt habe. Weiter wurden vergütungserhöhende Tatbestände – namentlich fachliche Qualifikation und Sachkunde, Haftung, hohe Gläubigerzahl, umfangreicher M&A-Prozess mit in- und ausländischen Investoren, umfassende Beratung und Mitwirkung sowie Erarbeitung eines komplexen Insolvenzplans vorgebracht Für eine Differenzierung nach Art der Tätigkeit bestehe keine gesetzliche Grundlage. Auf die sofortige Beschwerde hat das AG Offenbach mit Beschluss die Vergütung und Auslagen auf nunmehr 15.661,13 EUR abzgl. bereits festgesetzter Beträge und damit ergänzend auf 5.802,60 EUR festgesetzt. Bei der Höhe des Stundensatzes hat es hierbei weiterhin teilweise differenziert. I.Ü. hat es der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG gab der Beschwerdeführerin final recht.
II. Grundsätze der Vergütungsbemessung
Das LG Darmstadt führte zunächst allgemein zu den Grundsätzen der Vergütungsfestsetzung der Ausschussmitglieder aus und verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen in § 73 InsO, wonach ein Anspruch auf Vergütung für die Tätigkeit und auf Erstattung angemessener Auslagen bestehe, wobei dem Zeitaufwand und dem Umfang der Tätigkeit dabei Rechnung zu tragen sei. Über die Verweisungsnormen § 73 Abs. 2, § 65 InsO gelte die InsVV. Nach § 17 Abs. 1 InsVV beträgt die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses danach regelmäßig (Anm.: für Verfahren bis 31.12.2020 galt dies) zwischen 35,00 und 95,00 EUR je Stunde, wobei bei der Festsetzung des Stundensatzes insbesondere der Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen ist.
III. Angemessenheit im Einzelfall – Inflationsausgleich
Zu berücksichtigen sei – so das LG Darmstadt –, dass diese Regelsätze aus dem Jahr 2004 stammen und die Angemessenheit der Vergütung mit zunehmendem Zeitablauf seitdem u.U. anders zu beurteilen seien. Insgesamt sei bemessend festzuhalten, dass die Tätigkeit der Gläubigerausschussmitglieder mit einem "angemessenen" Stundensatz zu vergüten ist, wobei die Rahmensätze auch über- oder unterschritten werden können (s. im Einzelnen: Schmitt, in: FrankfurtKomm/lnsO, 9. Aufl., 2017, § 73 InsO Rn 3, 6 ff.; Lorenz, in: FrankfurtKomm/lnsO, a.a.O., § 17 InsVV Rn 2, 10 ff.). Die Angemessenheit d...