Die Entscheidung ist falsch.

1. Zunächst: Das AG vermengt bei seiner Argumentation gebührenrechtliche Aspekte und Fragen des Missbrauchs. Das ist aber unzulässig. Denn: Das AG stellt selbst fest, dass die Tätigkeit des Verteidigers zum Entstehen der Gebühr Nr. 5115 VV geführt hat. Ist das aber der Fall, dann ist diese Gebühr auch zu erstatten. Denn "Rechtsmissbrauch" liegt – entgegen der Auffassung des AG – nicht vor. Denn der Verteidiger ist nicht verpflichtet, alles zu tun, um dem Verfahren so Fortgang zu geben, damit nicht Verfolgungsverjährung eintritt. Man mag darum streiten, ob der Verteidiger den Verfahrensfortgang aktiv verhindern darf und ob er sich, wenn er es tut, wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) strafbar macht. Das spielt hier indes schon deshalb keine Rolle, weil wir es nicht mit einem Straf- sondern nur mit einem Bußgeldverfahren zu tun haben. Zudem steht der Überlegung entgegen, dass der Verteidiger hier nicht aktiv tätig geworden hat, sondern nur abgewartet hat, bis Verfolgungsverjährung eingetreten war. Das ist aber ein zulässiges Verteidigungsverhalten.

2. Zudem: Wenn es die Verwaltungsbehörde nach dem Hinweis des Verteidigers auf den von ihm eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht schafft, dessen Verbleib zu klären und dem Verfahren durch Abgabe an des AG so rechtzeitig Fortgang zu geben, dass keine Verjährung eintritt, ist das nicht dem Verteidiger bzw. der Betroffenen anzulasten, indem man die Zusätzliche Gebühr Nr. 5115 VV nicht gewährt. Und das dann auch noch mit dem in meinen Augen lächerlichen Argument, der Verteidiger habe dem Verfahren Fortgang geben müssen. Wo bitte steht das in der StPO, dem OWiG, der BRAO und/oder dem RVG? In dem Zusammenhang ist es schließlich auch falsch, wenn das AG den Beitrag der Verwaltungsbehörde am Verjährungseintritt mit dem Hinweis "nur mitursächlich" abtun will. Denn das ist nicht der Fall, da das "Nichtstun" der Verwaltungsbehörde alleinige Ursache für den Verjährungseintritt war.

Die von dem Verteidiger gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde hatte beim LG Freiburg (AGS 2023, 453 [Burhoff], in diesem Heft) Erfolg.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 10/2023, S. 452 - 453

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