§§ 63, 64 InsO; §§ 8, 9 InsVV; § 667 BGB
Leitsatz
Ist die Vergütung eines Insolvenzverwalters als verwirkt anzusehen, so ist auch ein bereits entnommener Vorschuss hierauf zurückzuzahlen.
BGH, Urt. v. 29.6.2023 – IX ZR 153/22
I. Sachverhalt
Der Kläger begehrt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin von dem Beklagten als vormaligem Insolvenzverwalter die Rückzahlung eines Vergütungsvorschusses. Mit Beschl. des AG Stendal (nachfolgend: Insolvenzgericht) v. 17.1.2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Auf Antrag des Beklagten setzte das Insolvenzgericht mit Beschl. v. 5.5.2006 für dessen Tätigkeit bis zum 6.4.2006 einen Vorschuss auf seine Vergütung i.H.v. 43.012,17 EUR fest und gestattete ihm die Entnahme des festgesetzten Betrags aus der Insolvenzmasse. Der Beklagte entnahm den Vorschuss noch im Jahr 2006. Mit Beschl. v. 10.2.2010 entließ das Insolvenzgericht den Beklagten als Insolvenzverwalter vor dem Hintergrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue zulasten verschiedener Insolvenzmassen aus wichtigem Grund und bestellte den Kläger zum neuen Insolvenzverwalter. Am 7.2.2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Festsetzung seiner endgültigen Vergütung im Insolvenzverfahren. Mit Urt. des LG Hildesheim v. 24.11.2015 wurde der Beklagte wegen Untreue in 33 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, da er in den Jahren 2005–2008 von der AG in 33 Fällen sog. Kick-Back-Zahlungen zulasten der ihm anvertrauten Insolvenzmassen entgegengenommen hatte, um sich persönlich zu bereichern. Den Festsetzungsantrag des Beklagten wies das Insolvenzgericht am 27.3.2017 durch Beschluss zurück, da er seinen Vergütungsanspruch aufgrund der auch zum Nachteil der verwalteten Vermögensmasse begangenen Straftaten verwirkt habe. Der Beschluss wurde rechtskräftig. Der Kläger verlangt, den Beklagten zu einer Zahlung i.H.v. 43.012,17 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen. Das LG hat die Klage mit Blick auf die durch den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG den Beklagten zur Rückzahlung des entnommenen Vorschusses i.H.v. 43.012,17 EUR nebst Verzugszinsen verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Der BGH gab dem Kläger – also dem amtierenden Insolvenzverwalter – recht und bestätigte die Rückzahlungspflicht des vormaligen Insolvenzverwalters.
II. Kein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB – aber § 667 BGB
Der Festsetzung eines Vorschusses durch das Insolvenzgericht komme nach Ansicht des BGH zwar Rechtsgrundwirkung im Sinne eines vorläufigen Behaltendürfens des entnommenen Betrags bis zur Festsetzung des endgültigen Vergütungsanspruchs zu. Dieser Grund entfalle aber dann, wenn im Ergebnis keine Vergütung festgesetzt bzw. eine solche aberkannt werden. Dann würde der Anspruch im Nachhinein entfallen. Gleichwohl resultiere hieraus kein Anspruch aus § 812 BGB.
Die Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung überzahlter Vorschüsse folge vielmehr aus einer entsprechenden Anwendung von § 667 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2019 – IX ZR 143/18, NJW 2019, 1458, ZInsO 2019, 923 zur Rückgewähr von nicht verbrauchten Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsvergütung). Die Bestellung eines Insolvenzverwalters begründe hinsichtlich der Vergütungsansprüche des Verwalters ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter und der Insolvenzmasse. Ein neu bestellter Insolvenzverwalter sei daher berechtigt und in der Lage, die dem früheren Insolvenzverwalter gewährten Vorschüsse auf die Vergütung zurückzufordern, soweit eine Überzahlung vorliegt. Der Insolvenzverwalter, der Vorschüsse auf seine Vergütung und Auslagen erhalten habe, befinde sich hinsichtlich etwaiger Überzahlungen in einer einem Beauftragten vergleichbaren Lage. Vorschusszahlungen lassen die Abrechnungspflicht des Insolvenzverwalters unberührt. Dies rechtfertige die entsprechende Anwendung des § 667 BGB.
III. Keine Verjährung oder Entreicherung
Der BGH stellt in seiner Entscheidung ebenfalls klar, dass der ehem. Insolvenzverwalter sich weder auf Verjährung, noch auf Entreicherung berufen könne. Der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des Klägers sei erst mit der Zurückweisung des Festsetzungsantrags durch Beschl. v. 27.3.2017 entstanden, sodass die im Jahr 2019 erhobene Klage die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt habe. Gegenüber einem Anspruch auf Rückforderung eines Vorschusses entsprechend § 667 BGB könne sich der Insolvenzverwalter zudem nicht auf Entreicherung berufen.
IV. Rückzahlung verpflichtend
Stelle sich heraus, dass der Insolvenzverwalter mehr aus der Insolvenzmasse entnommen habe als ihm entsprechend der maßgeblichen, abschließenden und rechtskräftigen Festsetzungsentscheidung zusteht, ist der Insolvenzverwalter nach allgemeiner Meinung verpflichtet, den zu viel entnommenen Anteil an die Masse zurückzuleisten. Entnimmt der Insolvenzverwalt...