§ 147 Abs. 1 S. 1 VwGO; § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO
Leitsatz
Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass für die Einlegung der Beschwerde gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts die zweiwöchige Frist des § 147 Abs. 1 1 VwGO und nicht die die Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO Anwendung findet.
VGH Mannheim, Beschl. v. 30.4.2024 – 13 S 437/24
I. Sachverhalt
Das VG hatte den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts für eine beabsichtigte Klage zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Antragsteller am 29.2.2024 mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden. Hiergegen hat der Antragsteller am 15.3.2024 Beschwerde erhoben. Der VGH hat die Beschwerde als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
II. Eingang später als zwei Wochen nach Zustellung
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss des VG war dem Antragsteller ausweislich der in der Akte befindlichen Zustellungsurkunde am 29.2.2024 zugestellt worden. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses (§ 147 Abs. 1 S. 1 VwGO) ist am 14.3.2024 abgelaufen (§ 57 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Beschwerdeschrift des Antragstellers ist indes erst am 15.3.2024 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist beim VG eingegangen.
III. Beschwerdefrist richtet sich nach § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO
Anders als der Antragsteller meint, findet die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO Anwendung. Zwar gelten nach § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die PKH sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 ZPO entsprechend. Jedoch ist dem Antragsteller nicht zu folgen, wenn er der Ansicht ist, § 127 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO, wonach im Fall der Ablehnung der PKH die Notfrist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO einen Monat beträgt, sei als speziellere Regelung im Verhältnis zu § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO einschlägig. § 127 Abs. 2 S. 3 VwGO knüpft ausschließlich an die Fristvorschrift zur zivilprozessualen sofortigen Beschwerde an und ist deshalb in seiner Wirkung auf deren Anwendungsbereich beschränkt. Die Regelungen über die zivilprozessuale sofortige Beschwerde sind durch § 166 VwGO aber nicht für das verwaltungsgerichtliche PKH-Verfahren in Bezug genommen, da diese Vorschrift allein auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die PKH verweist. Vielmehr gilt insoweit das in den §§ 146 ff. VwGO geregelte verwaltungsprozessuale Rechtsmittelrecht.
Diese Auffassung wird bestätigt durch die Ergänzung des § 166 VwGO durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess v. 20.12.2001 (BGBl I, 3987). Aus den Rechtsmittelvorschriften der ZPO wird durch diese Ergänzung ausschließlich § 569 Abs. 3 Nr. 2 ZPO in Bezug genommen.
Die ausdrückliche Regelung in § 146 Abs. 2 VwGO, nach der Beschlüsse über die Ablehnung von PKH, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse verneint, nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, spricht ebenfalls dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das verwaltungsprozessuale Rechtsmittelrecht der §§ 146 ff. VwGO als spezielleres Recht für die Anfechtung von PKH-Beschlüssen Anwendung finden soll. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO ist damit gegenüber § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO keine Spezialregelung. Daran hat sich durch die Änderungen des § 127 ZPO durch Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl I, 1887; vgl. dazu BGH, Beschl. v. 12.4.2006 – XII ZB 102/04, juris Rn 10) nichts geändert. Die Anwendbarkeit der Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO für die Anfechtung von PKH ablehnenden Beschlüssen wird – soweit ersichtlich – einhellig in Rspr. (VGH Mannheim, Beschl. v. 18.8.2009 – 9 S 1602/09 – n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 22.12.2016 – 4 B 1387/16, 4 E 1036/16, juris Rn 8 u. v. 26.2.2004 – 12 E 1262/02, juris Rn 2; BayVGH München, Beschl. v. 30.4.2012 – 22 C 11.2465, juris Rn 7 u. v. 3.4.2003 – 9 C 02.2916, juris Rn 5; OVG Bremen, Beschl. v. 11.1.2012 – 2 S 269/11, juris Rn 3; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.5.2010 – 7 PA 36/1, juris Rn 3; OVG Magdeburg, Beschl. v. 21.8.2008 – 3 O 533/08, juris Rn 2; OVG Greifswald, Beschl. v. 10.2.2004 – 2 O 149/03, juris Rn 2 ff.) und (Kommentar-)Lit. (Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., 2018, § 147 Rn 15; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 166 VwGO Rn 189; Eyermann/Happ, VwGO, 16. Aufl., 2022, § 147 Rn 1; Wysk/Kuhlmann, VwGO, 3. Aufl., 2020, § 166 Rn 66a; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl., 2023, § 147 Rn 3; Zimmermann-Kreher, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl., 2014, § 166 Rn 52; Gärditz/Jeromin, VwGO, 2. Aufl., 2018, § 147 Rn 6; Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl., 2021, § 166 Rn 56; Kaufmann, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, § 147 Rn 4; Poller/Härtl/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Aufl., 2018, § 166 VwGO Rn 23; Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10....