I. Fragen
1. Ausgangsfall
Rechtsanwalt A hat den Auftrag, für seinen Mandanten K eine Werklohnforderung i.H.v. 20.000,00 EUR zunächst außergerichtlich geltend zu machen. Im Falle der Erfolgslosigkeit dieser Bemühungen soll Rechtsanwalt A dann einen Prozessauftrag erhalten. Rechtsanwalt A fordert den Vertragspartner seines Mandanten B zur Zahlung binnen zweier Wochen auf. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgt war, erteilt K seinem Rechtsanwalt den Auftrag, die Werklohnforderung nunmehr gerichtlich geltend zu machen. Rechtsanwalt A schickt dem B eine weitere Zahlungsaufforderung, der ein Entwurf der Klageschrift beigefügt worden ist. Einige Tage später erhält Rechtsanwalt A von dem anwaltlichen Bevollmächtigten des B, Rechtsanwalt C, einen Telefonanruf. In dem Telefonat macht Rechtsanwalt C Mängeleinreden geltend, erklärt sich jedoch für den Mandanten bereit, dass B 15.000,00 EUR zur Abgeltung der Werklohnforderung zahlt und er auf die weitere Erhebung von Mängeleinreden verzichtet. Rechtsanwalt A erklärt dem Rechtsanwalt C, er könne über diesen Vorschlag nicht selbst entscheiden, werde ihn aber prüfen und mit seinem Mandanten K besprechen.
Welche Vergütung steht den Rechtsanwälten zu, wenn man unterstellt, deren Mandat sei nach dem Telefonat beendet?
2. Abwandlung
Im Ausgangsfall hört sich Rechtsanwalt A in dem Telefonat das gegnerische Einigungsangebot an, erklärt aber sogleich, sein Mandant lehne eine gütliche Einigung grds. ab, weil er bereits bei der Berechnung der Höhe seiner Werklohnforderung die behaupteten Mängel angemessen berücksichtigt habe.
Was ändert sich bei der Vergütung der Rechtsanwälte gegenüber dem Ausgangsfall?
II. Lösungen
1. Lösung zum Ausgangsfall
I. Vergütung des Rechtsanwalts A
1. Außergerichtliche Vertretung
K hat Rechtsanwalt A zunächst einen Vertretungsauftrag erteilt. Hierdurch ist Rechtsanwalt A nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 2300 VV eine Geschäftsgebühr angefallen, die hier bei zu unterstellenden durchschnittlichen Umständen mit einem Satz von 1,3 angemessen sein soll.
Somit rechnet Rechtsanwalt A seine außergerichtliche Tätigkeit wie folgt ab:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
1.068,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
206,83 EUR |
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Gesamt |
1.295,43 EUR |
2. Gerichtliche Vertretung
Nachdem die außergerichtlichen Bemühungen des Rechtsanwalts A gescheitert waren, hat K ihm einen unbedingten Prozessauftrag erteilt, sodass sich die im Rahmen dieses Auftrags anfallende Vergütung nach Teil 3 VV bestimmt (s. Vorbem. 3 Abs. 1 VV).
a) Verfahrensgebühr
Für das Betreiben des Geschäfts ist Rechtsanwalt A nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV eine Verfahrensgebühr angefallen. Sie ist nach Nr. 3101 Nr. 1 VV mit einem Gebührensatz von 0,8 entstanden, da der Prozessauftrag des Rechtsanwalts endete, ohne dass dieser eine der in der Vorschrift aufgeführten Tätigkeiten entfaltet hat. Insbesondere hat Rechtsanwalt A die von ihm entworfene Klageschrift nicht bei dem zuständigen Gericht eingereicht.
b) Terminsgebühr
Ferner ist Rechtsanwalt A für die telefonische Besprechung mit dem Gegenanwalt nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 2 VV eine Terminsgebühr entstanden, weil er die Besprechung im Rahmen des ihm erteilten Prozessauftrags (s. Vorbem. 3 Abs. 1 VV) geführt hat.
Der Gebührentatbestand der Terminsgebühr ist erfüllt. Rechtsanwalt A hat mit Rechtsanwalt C eine Besprechung zur Vermeidung des Rechtsstreits geführt, in der Rechtsanwalt C eine außergerichtliche Einigung vorgeschlagen hat. Da der Gebührentatbestand einen Erfolg der Besprechung, nämlich die Vermeidung des Rechtsstreits, nicht erfordert, kommt es auch nicht darauf an, ob B diesem Vorschlag nähergetreten ist. Es genügt, dass Rechtsanwalt C erklärt hat, er werde den Vorschlag prüfen und an seinen Mandanten weiterleiten und mit diesem besprechen. Somit hat die telefonische Besprechung mit Rechtsanwalt C bei Rechtsanwalt A eine 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 und S. 3 Nr. 2 VV und Nr. 3104 VV ausgelöst.
Folglich rechnet Rechtsanwalt A seine im Rahmen des Prozessauftrags erbrachten Tätigkeiten wie folgt ab:
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV |
657,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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hierauf nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen, |
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0,65-Geschäftsgebühr |
– 534,30 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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Rest: |
123,30 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 und S. 3 Nr. 2 VV |
986,40 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
214,64 EUR |
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Gesamt |
1.344,34 EUR |
II. Vergütung des Rechtsanwalts C
Rechtsanwalt C hat – wovon im Regelfall auszugehen ist – von seinem Mandanten nach Erhalt der (ersten) Zahlungsaufforderung einen Vertretungsauftrag erhalten. Damit bestimmt sich seine Vergütung ausschließlich nach Teil 2 VV.
Für das Betreiben des Geschäfts (s. Vorbem. 2 Abs. 3 VV) ist Rechtsanwalt C eine Geschäftsgebühr nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 2300 VV angefallen. Auch hier soll bei durchschnittlichen Umständen von einer 1,3-Geschäftsgebühr ausgegangen werden.
Durch diese Geschäftsgebühr wird das Betreiben des Geschäfts und damit auch die telefonische Besprechung mit ...