§ 14 Abs. 3 RVG
Leitsatz
Ein Gebührengutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer ist nur im Vergütungsrechtsstreit zwischen Anwalt und Mandant einzuholen, nicht jedoch im Rechtsstreit mit einer nach § 63 SGB X erstattungspflichtigen Behörde.
LSG München, Urt. v. 13.6.2024 – L 18 SB 35/23
I. Sachverhalt
Nach erfolgreichem Widerspruchsverfahren hatte der Kläger die Festsetzung der ihm entstandenen Anwaltskosten beantragt, darunter auch einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV. Dabei ist der Kläger aufgrund der Abrechnung seines Anwalts von einem überdurchschnittlichen Gebührenbetrag ausgegangen. Die beklagte Behörde hat die Geschäftsgebühr lediglich i.H.d. sog. Schwellengebühr (Anm. zu Nr. 2302 VV) festgesetzt, da die Tätigkeit des Anwalts weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Nach erfolglosem Widerspruch erhob der Kläger Klage zum SG. Das Gericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
II. Nur Schwellengebühr angemessen
Auszugehen ist von einer weder umfangeichen noch schwierigen Angelegenheit, sodass nur die sog. Schwellengebühr angemessen ist.
III. Kein Kammergutachten erforderlich
Der Senat durfte im Hinblick auf die Höhe der strittigen Geschäftsgebühr entscheiden, ohne zuvor ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 3 RVG (bis 31.12.2020: Abs. 2) einzuholen. Die Vorschrift ist nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt und nicht im Rechtsstreit zwischen Erstattungspflichtigem (Beklagter) und Gebührenschuldner (Kläger) anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 16.4.2015 – I ZR 225/12, juris Rn 104; BSG, Urt. v. 1.7.2009 – B 4 AS 21/09 R, juris Rn 13, AGS 2010, 233; BSG, Urt. v. 12.12.2019 – B 14 AS 48/18, juris Rn 10; BSG, Urt. v. 12.12.2019 – B 14 AS 46/18 R, juris Rn 9, AGS 2020, 247; BSG, Urt. v. 12.12.2019 – B 14 AS 45/18 R, juris Rn 9; zur Vorgängerregelung des § 12 Abs. 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte – BRAGO – bereits BSG, Urt. v. 18.1.1990 – 4 RA 40/89, juris Rn 12). In dem zuletzt genannten – hier vorliegenden – Fall ist es Sache des Gerichts, zu prüfen, ob die vom Rechtsanwalt angesetzte und vom Auftraggeber erstattet verlangte Gebühr der Billigkeit i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG entspricht (vgl. nur BGH, a.a.O.).
IV. Bedeutung für die Praxis
Es entspricht einhelliger Auffassung, dass im Rahmen der Kostenerstattung die Einholung eines Gutachtens des Vorstands der Rechtsanwaltskammer nicht erforderlich ist.
Gleiches gilt für einen Freistellungsprozess gegenüber einem Rechtsschutzversicherer (AG Saarbrücken AGS 2006, 377 = DAR 2006, 176).
Davon unbeschadet besteht die Möglichkeit, nach § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ein Gutachten einzuholen, das dann aber entgegen § 14 Abs. 3 S. 2 RVG nicht kostenlos zu erstatten, sondern nach den Sätzen des JVEG zu vergüten ist (OLG Brandenburg AGS 2023, 473 = JurBüro 2023, 579).
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 10/2024, S. 468 - 469