§ 465 StPO; Nr. 4142 VV RVG
Leitsatz
Das – ggf. weitgehende – Entfallen einer von der Staatsanwaltschaft begehrten Einziehungsanordnung muss sich, wenn die Tragung der gesamten Kosten (vgl. § 465 Abs. 1 StPO) durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken.
BGH, Beschl. v. 27.8.2024 – 5 StR 240/24
I. Sachverhalt
Das LG hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen i.H.v. 10.000,00 EUR angeordnet, wobei er insoweit als Gesamtschuldner haften sollte. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt; mit seiner sofortigen Beschwerde hat er die Kostenentscheidung des Urteils, soweit ihm seine notwendigen Auslagen insgesamt auferlegt worden sind, angegriffen.
Der BGH hat das Urteil des LG wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben, die weitergehende Revision hat er verworfen. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten hat er die Kostenentscheidung des LG-Urteils dahin ergänzt, dass der Angeklagte seine notwendigen Auslagen hinsichtlich der Einziehung nur insoweit trägt, als diese angeordnet worden ist; i.Ü. trägt diese Auslagen die Staatskasse. Im Umfang der Aufhebung hat der BGH dann die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der sofortigen Beschwerde, an das LG zurückverwiesen.
II. Aufhebung wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Die teilweise Aufhebung des Urteils im Schuldspruch und im Gesamtstrafenausspruch beruhte auf durch das am 1.4.2024 in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis v. 27.3.2024 (KCanG; BGBl I 2024, Nr. 109) erfolgten Änderungen.
III. Entfallen der Einziehungsanordnung
1. Gebührenanspruch des Verteidigers
Für die Verteidigung gegen die Einziehung sei dem Verteidiger eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4142 VV entstanden, die – in Abweichung vom allgemeinen strafprozessualen Vergütungssystem nach Pauschalsätzen – nach dem (Gegenstands-)Wert der Einziehung berechnet werde (§§ 13, 49 RVG). Dieser habe entsprechend der Anklageschrift mehr als 217.000,00 EUR betragen; aus diesem Wert ist die Gebühr zu berechnen (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2023 – 3 Ws 66/23, AGS 2023, 550). Tatsächlich eingezogen wurde bei dem Angeklagten aber nur ein Betrag i.H.v. 10.000,00 EUR; insoweit wäre eine geringere Gebühr angefallen (vgl. Anlage zu §§ 13 Abs. 1 S. 3, 49 RVG).
2. Berücksichtigung des Entfallens der Einziehung bei der Kostenentscheidung?
Das – hier weitgehende – Entfallen der von der Staatsanwaltschaft begehrten Einziehungsanordnung müsse sich, so der BGH, wenn die Tragung der gesamten Kosten (vgl. § 465 Abs. 1 StPO) durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken. Dies habe der Senat nach dem Rechtsgedanken des § 465 Abs. 2 S. 2 StPO für die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jedenfalls dann zu beachten, wenn – wie hier – eine zulässige Kostenbeschwerde erhoben sei und die tatgerichtliche Einziehungsanordnung aus Rechtsgründen niedriger als ursprünglich beantragt ausfalle, ohne dass von der Einziehung nach § 421 StPO abgesehen werde (zur Behandlung der Kosten im Revisionsverfahren, insbesondere wenn nach § 421 StPO von der Einziehung abgesehen wird, BGH, Beschl. v. 26.5.2021 – 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229; v. 8.12.2021 – 5 StR 296/21, NStZ-RR 2022, 160; vgl. zur Kostenentscheidung bei Absehen von der Einziehung auch KG Berlin wistra 2024, 130).
Hier war es nach Auffassung des BGH unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu belasten, weil die Entscheidung über die Einziehung in erheblichem Umfang zu seinen Gunsten ausgegangen sei und durch die ursprüngliche Beantragung höhere notwendige Auslagen nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO entstanden seien. Da diese Kosten mit Blick auf ihre zusätzliche Entstehung (vgl. Nr. 4142 VV) ohne Weiteres identifizier- und bezifferbar seien, habe der Senat insoweit eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht getroffen und von einer Verteilung nach Bruchteilen (vgl. § 464d StPO) abgesehen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung stehe dem nicht entgegen, da sich für das Strafverfahren und das vermögensordnende, quasi-kondiktorische Einziehungsverfahren (vgl. Habetha, NJW 2021, 1830, 1831) mit Fest- und Wertgebühren unterschiedliche Gebühren- und Vergütungssysteme gegenüberstehen.
IV. Bedeutung für die Praxis
1. Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung
Die Entscheidung liegt auf der Linie der obergerichtlichen Rspr. in der Frage. Diese hat für den Angeklagten und auch den Verteidiger erhebliche Bedeutung, da er, wenn der Staatskasse ein Teil der notwendigen Auslagen auferlegt wird, diese gegenüber der Staatskasse geltend machen kann, wobei er – als Pflichtverteidiger – nicht an die Beschränkungen aus § 49 RVG gebunden ist (zu allem auch BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 – 204 StRR 394/23, AGS 2024, 38 = StraFo 2024, 74, 75; vgl. auch BGH, Besc...