1. Berechtigte
a) Allgemeines
Das Recht auf Vorschuss nach § 47 Abs. 1 RVG steht allen in II. genannten Berechtigten zu.
b) Pflichtverteidiger
Eine Sonderregelung gilt für den Pflichtverteidiger. Diesem ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 51 Abs. 1 S. 5 RVG auf Antrag ein angemessener Vorschuss auf eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Dabei handelt es sich nicht um einen Vorschuss nach § 47 Abs. 1 RVG. Insoweit besteht aber ein Anspruch neben dem Vorschussanspruch aus § 51 Abs. 1 S. 5 RVG, der sich allerdings nur auf die gesetzlichen Gebühren richtet. Dieser Anspruch hat insofern für den Pflichtverteidiger Bedeutung, weil er die Frage der Unzumutbarkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG entfallen lassen kann. Der Pflichtverteidiger wird daher im Zweifel vor der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 51 Abs. 1 S. 5 RVG den Vorschussanspruch nach § 47 Abs. 1 RVG geltend machen.
c) Beratungshilfe
Eine weitere Sonderregelung gilt für die Beratungshilfe. Nach § 47 Abs. 2 RVG kann die Gebühr Nr. 2501 VV nebst Auslagen nicht vorschussweise aus der Landeskasse verlangt werden. Entsprechendes gilt für die Beratungshilfegebühr Nr. 2500 VV.
2. Zeitpunkt der Vorschussverlangens
Für das Vorschussverlangen ist der Eintritt der Fälligkeit des (gesamten) Gebührenanspruchs nach § 8 RVG nicht Voraussetzung, vielmehr ist ungeschriebene Voraussetzung für die Gewährung einer Vorschusszahlung nach § 47 RVG, dass der Gebührenanspruch noch nicht fällig ist. Ist die Gebühr nämlich schon fällig, besteht für die Beantragung eines Vorschusses kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Vorschusserhebung bedeutet gerade, dass die Kosten bereits vor deren Fälligkeit geltend gemacht werden können. Der Vorschussanspruch ist fällig mit der Entstehung der Gebühr, für die ein Vorschuss verlangt werden soll. Weil gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG ein Recht auf Vorschuss besteht, muss der gerichtlich beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt bei Geltendmachung von Gebühren und Auslagen vor Eintritt der Fälligkeit auch nicht ausdrücklich erklären, dass er vorschussweise abrechnet.
3. Voraussetzungen für den Vorschuss
a) Gebühren
Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 47 Abs. 1 S. 1 RVG. Insoweit wird zwischen Gebühren und Auslagen unterschieden. Hinsichtlich der Gebühren kann der Rechtsanwalt einen Vorschuss nur auf die (bereits) "entstandenen Gebühren" verlangen. Die vorschussweise verlangten Gebühren müssen also bereits entstanden, die Fälligkeit nach § 8 RVG muss jedoch noch nicht eingetreten sein. Der Anspruch unterscheidet sich also von dem Anspruch des Wahlanwalts nach § 9 RVG, der auch einen Vorschuss auf die voraussichtlich noch entstehenden Gebühren verlangen kann.
b) Auslagen
Der Anspruch des Rechtsanwalts auf Vorschuss für Auslagen geht weiter. Er erfasst "die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen". Die voraussichtlich entstehenden Auslagen sind unter Anwendung eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bei einer weder zu engen noch zu weiten Auslegung zu prüfen. Die Entstehung muss im Rahmen des § 46 Abs. 2 RVG höchstwahrscheinlich sein. Erfasst werden auch die Aufwendungen i.S.v. § 670 BGB.
Auch der Anspruch auf Ersatz der Auslagen muss noch nicht fällig sein. Damit bietet neben der Möglichkeit des Vorgehens nach § 46 Abs. 2 RVG das Verfahren zur Festsetzung eines Vorschusses nach § 47 Abs. 1 RVG die Möglichkeit, zu klären, ob Auslagen von der Staatskasse erstattet werden. Denn nach § 47 Abs. 1 können im Wege des Vorschusses die voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse gefordert werden. Das bedeutet, dass die Staatskasse sich Gedanken machen muss, ob die Auslagen ggf. entstehen bzw. später zu erstatten sind. Anders als die vorherige positive Feststellung nach § 46 Abs. 2 RVG, der Bindungswirkung zukommt, kann die Vorschussfestsetzung aber noch von der Staatskasse angefochten werden.