I. Einleitung
Wird das Scheidungsverfahren eingeleitet, so ist zwingend auch die Folgesache Versorgungsausgleich durchzuführen. Dies ergab sich nach altem Recht aus § 623 ZPO a.F. und folgt nach neuem Recht aus § 137 FamFG. Eines gesonderten Antrags bedarf es insoweit nicht (§ 623 ZPO a.F.; § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG).
Da das gesamte Scheidungsverbundverfahren nach § 16 Nr. 4 RVG eine Angelegenheit ist und auch schon immer war (§ 7 Abs. 3 BRAGO), kann und konnte der Anwalt seine Gebühren nur einmal abrechnen, und zwar aus dem Gesamtwert von Ehesache, Versorgungsausgleich und gegebenenfalls weiteren Folgesachen.
Möglich war auch schon nach altem Recht eine "Abtrennung" der Folgesache des Versorgungsausgleichs, wenn dieser noch nicht entscheidungsreif war. Es konnte dann über die Ehesache und eventuelle weitere Folgesachen vorab entschieden werden (§ 628 Abs. 1 S. 4 ZPO a.F.). Gleiches gilt nach neuem Recht. Auch hier kann der Versorgungsausgleich abgetrennt (§ 140 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4, 5 FamFG) und über die Ehesache und weitere bereits entscheidungsreife Folgesachen vorab entschieden werden.
Schon nach bisherigem Recht führte die "Abtrennung" des Versorgungsausgleichs aber nicht zur Auflösung des Verbundes. Es handelte sich faktisch nur um eine Teilentscheidung über die Ehesache und gegebenenfalls weitere Folgesachen (§ 628 Abs. 2 ZPO). Die "Abtrennung" des Versorgungsausgleichs löste jedoch den Verbund nicht auf und führte nicht dazu, dass die Folgesache Versorgungsausgleich nunmehr zur selbständigen Familiensache wurde. Vielmehr blieb das abgetrennte Verfahren Versorgungsausgleich nach wie vor Folgesache, so dass die Gebühren nur einheitlich abgerechnet werden konnten, und zwar nach dem Gebührenrecht, das bei Einleitung des Scheidungsverfahrens galt (§ 134 BRAGO, §§ 60, 61 RVG).
Nach neuem Recht verhält es sich nicht anders. Wird der Versorgungsausgleich abgetrennt, gilt § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG. Das abgetrennte Verfahren bleibt Folgesache und kann nur im Verbund abgerechnet werden (§ 16 Nr. 4 RVG).
Ein besonderes Problem wirft aber jetzt Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG auf. In den dort genannten Fällen führt eine Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich zur Herauslösung aus dem Verbund, mit der Folge, dass das abgetrennte Verfahren über den Versorgungsausgleich als selbständige Familiensache fortgeführt wird.
II. Verbundverfahren nach neuem Recht
Ist das Verbundverfahren nach dem 31.8.2009 eingeleitet worden, so gilt für das gesamte Verfahren das neue Recht (Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG). Hier bleibt die Folgesache Versorgungsausgleich trotz Abtrennung weiterhin Folgesache (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG), so dass nach § 16 Nr. 4 RVG nur einheitlich abgerechnet werden kann
Beispiel 1
Das Scheidungsverfahren ist im September 2009 eingeleitet worden. Die Werte werden wie folgt festgesetzt: Ehesache 6.000,00 EUR; Versorgungsausgleich (jeweils ein gesetzliches Anrecht) 1.200,00 EUR. Das Gericht trennt den Versorgungsausgleich ab und spricht die Scheidung aus. Nach Eingang der Auskünfte wird die Folgesache Versorgungsausgleich wieder aufgenommen und entschieden.
Die Folgesache Versorgungsausgleich ist ungeachtet der Abtrennung gem. § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG Folgesache geblieben. Der Anwalt kann daher gem. § 16 Nr. 4 RVG nur einheitlich aus dem Gesamtwert des § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 44 FamGKG abrechnen.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 7.200,00 EUR) |
535,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 7.200,00 EUR) |
494,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.050,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
199,50 EUR |
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Gesamt |
1.249,50 EUR |
III. Verbundverfahren nach altem Recht
1. Überblick
Anders verhält es sich dagegen in Verbundverfahren, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden sind, wenn hier die Folgesache Versorgungsausgleich bereits vor dem 1.9.2009 abgetrennt wurde oder danach abgetrennt worden ist oder noch abgetrennt wird. Es gilt dann Art. 11 Abs. 4 FGG-ReformG:
Art. 111 FGG-ReformG
...
(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.
Dies hat dann zur Folge, dass die bisherige Folgesache Versorgungsausgleich selbständig wird (Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG) und gem. Art. 111 Abs. 4 S. 1 FamFG zwingend nach neuem Verfahrensrecht zu behandeln ist. Es gilt dann für das abgetrennte Verfahren auch nicht mehr der Streitwert nach dem GKG, sondern der Verfahrenswert nach dem FamGKG (§ 50 FamGKG).
Von Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG erfasst werden alle am 1.9.2009 noch anhängigen Folgesachen über den Versorgungsausgleich,
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in denen der Scheidungsantrag vor dem 1.9.2009 eingereicht worden war |
und
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das Verfahren über den Versorgungsausgleich |