RVG §§ 9, 14; BGB §§ 315 ff.
Leitsatz
Fordert der Anwalt vor Fälligkeit eine Rahmengebühr an, ohne ausdrücklich kenntlich zu machen, dass es sich lediglich um einen Vorschuss handelt, bleibt er bei seiner Schlussrechnung grundsätzlich an den abgerechneten Gebührensatz gebunden.
OLG Köln, Beschl. v. 12.10.2009–5 U 59/09
1 Sachverhalt
Der klagende Anwalt war in einer Arzthaftungssache für die Beklagten tätig. Nachdem er bereits einige Korrespondenz in der Sache geführt hatte, schrieb er den Rechtsschutzversicherer an und bat um eine Zahlung in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Dabei führte er in seinem Anschreiben Folgendes aus: "Ich füge in der Anlage entsprechend meine Kostenrechnung anbei. Ich habe entgegenkommenderweise zunächst eine 1,3-Geschäftsgebühr abgerechnet. Ich werde Sie über den weiteren Verlauf der Angelegenheit natürlich unterrichten ...".
Später kündigten die Beklagten das Mandat. Daraufhin erteilte der Anwalt seine Schlussrechnung über eine 2,0-Geschäftsgebühr. Der Rechtsschutzversicherer weigerte sich, die weiteren Kosten zu zahlen. Er war der Auffassung, der Anwalt habe bereits mit der ersten Rechnung sein Bestimmungsrecht ausgeübt und könne keine weitere Vergütung mehr fordern.
Das LG hatte die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren wies das OLG gem. § 522 Abs. 2 ZPO darauf hin, dass die Berufung offensichtlich unbegründet sei, worauf der Kläger diese dann auch zurücknahm.
2 Aus den Gründen
Das LG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung weiteren Rechtsanwaltshonorars in Höhe der Differenz zwischen dem von der Rechtsschutzversicherung der Beklagten bereits bezahlten Honorar auf der Basis einer Berechnung mit dem Gebührensatz von 1,3 und einem auf der Basis eines Gebührensatzes von 2,0 berechneten Honorar zusteht. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.
1. Eine Inanspruchnahme der Beklagten insoweit scheitert allerdings nicht an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten. Die Beklagten sind vielmehr aus den zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Gründen der angefochtenen Entscheidung passivlegitimiert.
Einer Inanspruchnahme der Beklagten auf Zahlung weiteren Rechtsanwaltshonorars scheitert aber daran, dass der Kläger mit seiner Kostenrechnung v. 20.9.2007 sein Ermessen gem. § 14 RVG hinsichtlich des Gebührensatzes verbindlich ausgeübt hat:
a) In der Rechnung v. 20.9.2007 hat der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV zu einem Gegenstandswert von 1.226.500,00 EUR abgerechnet. Durch diese Abrechnung hat er das ihm gem. § 14 RVG zustehende Ermessen in Bezug auf die Höhe des Gebührensatzes ausgeübt. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht nur für den Mandanten, sondern auch für den Rechtsanwalt selbst bindend (vgl. hierzu etwa: BGH NJW 1987, 3203; Hartmann, a.a.O., § 14 RVG Rn. 12; Lutje, in: BeckOK RVG, Stand: 15.8.2009, § 14 RVG Rn 11).
b) aa) Ein Abrücken von dieser Festlegung käme dann in Betracht, wenn der Kläger einen Gebührentatbestand versehentlich übersehen hätte (BGH NJW 1987, 3203; Hartmann, a.a.O., § 14 RVG Rn. 12), was hier ersichtlich nicht der Fall ist, oder wenn sich nachträglich wesentliche Änderungen hinsichtlich der für die Bestimmung des Gebührensatzes maßgeblichen Umstände ergeben hätten, die bei Rechnungsstellung noch nicht bekannt gewesen sind. Auch von dem zuletzt genannten Fall kann hier ersichtlich nicht ausgegangen werden. Denn zum einen hat der Kläger zwischen der Rechnungsstellung am 20.9.2007 und der Beendigung des Mandats am 17.10.2007 keine Handlungen mehr im Rahmen des umstrittenen Mandats vorgenommen, die Einfluss auf die Bemessung des Gebührensatzes hätten haben können. Und zum anderen ergibt sich aus den vorprozessualen Schreiben des Klägers und insbesondere aus seinem Schreiben an die Rechtsschutzversicherung der Beklagten v. 27.9.2007, dass er zu diesem Zeitpunkt einen Gebührensatz von 2,0 nicht aufgrund nachträglicher Umstände, sondern im Hinblick auf die Umstände der Tätigkeiten vor dem 20.9.2007 für angemessen hielt.
bb) Abgesehen von den eben genannten Umständen wäre ein Abrücken des Klägers von der Ermessensausübung hinsichtlich des Gebührensatzes in der Rechnung v. 20.9.2007 allenfalls dann denkbar, wenn er sich in der Rechnung v. 20.9.2007 ausdrücklich und eindeutig erkennbar vorbehalten hätte, den Gebührensatz nachträglich anders zu bestimmen. Ob ein solcher Vorbehalt überhaupt zulässig wäre, was zweifelhaft erscheint, weil es sich bei der Ausübung des Ermessens um ein Gestaltungsrecht handelt, bedarf im vorliegenden Streitfall keiner Klärung. Denn von einem solchen Vorbehalt kann hier nicht ausgegangen werden.
Die Rechnung selbst enthält einen entsprechenden Vorbehalt in keiner Weise. Und auch die Passage: "Ich füge in der Anlage entsprechend meine Kostenrechnung anbei. Ich habe entgegen...