RVG § 15a Abs. 1, Abs. 2, 3. Alt.; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

  1. Die Geschäftsgebühr, die der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erhält, ist auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen.
  2. Die Vorschrift des § 124 Abs. 2 GWB ist auf Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers beim OLG entsprechend anzuwenden, um eine planwidrige Lücke im Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 GWB zu vermeiden.
  3. Zur Anwendbarkeit des § 15a RVG auf Altfälle.

BGH, Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09

1 Sachverhalt

Der vorlegende Vergabesenat hatte auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Gleichzeitig hatte er sie verpflichtet, der Antragsgegnerin die im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Darüber hinaus hat das Gericht die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren ausgesprochen. Die Antragsgegnerin, die schon erstinstanzlich durch die von ihr im Beschwerdeverfahren bevollmächtigten Rechtsanwälte vertreten worden war, hat, abgesehen von Post- und Telekommunikationspauschalen sowie Reisekosten, für das Verfahren vor der Vergabekammer eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV sowie für das Verfahren vor dem Vergabesenat eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr (Nr. 3200 und Nr. 3202 VV) zur Festsetzung gegen die Antragstellerin beantragt. Der Rechtspfleger beim OLG hat die Geschäftsgebühr mit Blick auf die Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens angerechnet und den zur Festsetzung begehrten Betrag entsprechend gekürzt. Gegen die anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr in dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragsgegnerin Erinnerung eingelegt.

Der vorlegende Vergabesenat hält die Anrechnung für rechtens und möchte die Erinnerung deshalb zurückweisen, sieht sich daran aber durch Entscheidungen des KG (VergabeR 2005, 402 = AGS 2005, 155), des OLG München (VergabeR 2009, 106) und des OLG Celle (Beschl. v. 23.6.2008–13 Verg 10/07) gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH nach § 124 Abs. 2 GWB vorgelegt.

2 Aus den Gründen

II.  Die Vorlage ist in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 2 GWB zulässig.

1.  Nach dieser Vorschrift legt ein OLG, das über eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache, sofern sie nicht einen Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB oder § 121 GWB zum Gegenstand hat, dem BGH vor. Die Vorlagepflicht gilt, wie der Senat bereits entschieden hat, auch bei sofortigen Beschwerden gegen die in Kostenfestsetzungsverfahren ergangenen Entscheidungen der Vergabekammern (Senatsbeschl. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39 = AGS 2008, 553). Eine solche Konstellation liegt hier allerdings nicht vor. Vielmehr hat der Rechtspfleger beim Beschwerdegericht – wie bundesweit in den Fällen, in denen ein Nachprüfungsverfahren in die Beschwerdeinstanz gelangt ist, üblich – in entsprechender Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO die vor der Vergabekammer entstandenen Kosten (mit-)festgesetzt. Gegen diese Entscheidung ist nicht die sofortige Beschwerde statthaft, sondern die Erinnerung (§ 567 ZPO; § 11 Abs. 1 und 2 RPflG).

Die Vorschrift des § 124 Abs. 2 GWB ist auf Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Rechtspflegers beim OLG entsprechend anzuwenden, um eine planwidrige Lücke im Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 GWB zu vermeiden. Der Sinn und Zweck dieser Regelung, eine bundeseinheitliche Rspr. in Vergabesachen zu gewährleisten, schließt, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, vergaberechtsbezogene Gebührenfragen ein (Senat, a.a.O.). Dass davon solche Entscheidungen ausgenommen sein sollen, die ein Vergabesenat aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 1 und 2 RPflG im Erinnerungsverfahren trifft, ist nicht anzunehmen.

2.  Die Vorlage ist auch im Übrigen zulässig.

Die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB sind erfüllt, wenn das vorlegende OLG als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen OLG tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. BGHZ 179, 84 – Rettungsdienstleistungen).

So verhält es sich hier. Das OLG Düsseldorf möchte die sofortige Beschwerde mit der Begründung zurückweisen, die Anrechnungsregel in Vorbem. 3 Abs. 4 VV finde auch Anwendung, wenn es sich bei der anzurechnenden Geschäftsgebühr um eine solche handelt, die im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient worden ist. Dieser Rechtssatz kollidierte mit der vom vorlegenden Gericht angeführten Rspr. des KG und der Oberlandesgerichte München und Celle.

III.  Die nach § 11 Abs. 2 RPflG statthafte Erinnerung ist auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

IV.  I...

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