ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Leitsatz
Die Kosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz, welche das im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzende Einkommen mindern, ermittelt der Senat in Anlehnung an Nr. 10.2.2. der Thüringer Leitlinien.
OLG Jena, Beschl. v. 11.6.2009–1 WF 126/09
1 Sachverhalt
Das FamG hatte dem Beklagten ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors, der angeführt hat, die monatlichen Fahrtkosten seien nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII v. 28.11.1962 zu berechnen.
Der Bezirksrevisor hat mit Schriftsatz v. 5.1.2009 beantragt, dem Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses monatliche Raten in Höhe von 45,00 EUR auf die entstandenen und entstehenden Prozesskosten aufzuerlegen.
Das AG hat mit Beschl. v. 24.3.2009 der sofortigen Beschwerde der Staatskasse nicht abgeholfen. Bei der Berechnung der Fahrtkosten folge das Gericht der ständigen Rspr. des Thüringer OLG. Zugrunde zu legen seien die hier sich aus den "Unterhaltsrechtlichen Leitlinien" der Familiensenate ergebenden Km-Pauschalen (seit dem 1.1.2008 = 0,30 EUR pro gefahrenem Km). Hierin seien sämtliche Kosten für Finanzierung und Unterhaltung des Pkw anteilig enthalten.
Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme v. 9.4.2009 darauf hingewiesen, dass für die Berechnung nicht auf die unterhaltsrechtlichen Leitlinien, sondern auf die zu § 82 SGB XII ergangene Durchführungsverordnung v. 28.11.1962 abzustellen sei. Dort sei unter § 3 Abs. 6 Nr. 2 geregelt, dass ein monatlicher Pauschbetrag von 5,20 EUR für jeden vollen Kilometer – begrenzt auf höchstens 40 km – in Abzug gebracht werden könne, soweit der Beklagte seinen eigenen Kraftwagen für den Weg zur Arbeit nutze. Unter Zugrundelegung der Höchstgrenze ergebe sich ein möglicher abzugsfähiger Betrag in Höhe von 208,00 EUR. Die Anwendung der Durchführungsverordnung sei durch das Thüringer OLG (Beschl. v. 18.9.2008– 2 WF 324/08) bestätigt worden. In den Gründen der Entscheidung sei explizit darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht auf die "Unterhaltsrechtlichen Leitlinien", sondern auf die o.g. Durchführungsverordnung abzustellen sei.
Mit Verweis in § 115 ZPO auf § 82 Abs. 2 SGB XII finde die für diese Vorschrift erlassene Durchführungsverordnung Anwendung. Die Verordnung sei zuletzt durch Art. 12 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB v. 27.12.2003 bzw. dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 14.3.2005 geändert worden. Der Verordnungsgeber habe in diesem Zusammenhang den Pauschbetrag von 5,20 EUR unangetastet gelassen und nicht auf die mittlerweile erheblichen Preissteigerungen – gerade im Bereich der Kraftstoffkosten – reagiert. Der Betrag von 5,20 EUR sei somit weiterhin maßgebend.
Die Beschwerde hatte insoweit keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Beklagte hat angegeben, von seinem Wohnort zu seinem Arbeitsplatz eine einfache Entfernung von 78 km zurückzulegen. Das AG hat für jeden einfachen Kilometer bis zu einer Entfernung von 40 km einen Kilometersatz von 0,30 EUR abgesetzt.
Gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 a i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben abzusetzen. Wie sich diese bestimmen definiert § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII nicht. Gem. § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 82 SGB XII ist bei notwendiger Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ein Betrag von 5,20 EUR pro einfachem Kilometer anzusetzen.
Ob dies auch entsprechend im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu handhaben ist, ist streitig (bejahend: OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 644; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 799; OLG Stuttgart OLGR 2008, 36 mit der Einschränkung, dass dies gelte, solange die Fahrtkosten steuerlich geltend gemacht werden können; Verneinend: OLG Nürnberg FamRZ 2008, 1961; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 69; FamRZ 2008, 2288 = JurBüro 2009, 147; OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 437; OLG Koblenz MDR 2002, 965; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 3. Aufl., Rn 88 unter Hinweis darauf, dass die VO nicht unmittelbar anwendbar ist; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., Rn 25 zu § 115 ZPO unter Hinweis auf die ADAC-Tabelle).
Zur Berechnung der Höhe der Fahrtkosten sind die Bestimmungen in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien heranzuziehen. Nach Auffassung des Senates verweist § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ZPO ausdrücklich nur auf § 82 Abs. 2 SGB XII, nicht dagegen auf die Verordnungsermächtigung in § 96 Abs. 1 SGB XII. Im Übrigen ist der geringere Ansatz der Fahrtkosten entsprechend der DVO auch sachlich nicht gerechtfertigt, nachdem die Festsetzung des Betrages der Höhe nach seit 1976 unverändert geblieben ist. Nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 a ZPO sind dem Grunde nach die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte abzusetzen, sofern diese notwendig sind. Eine Verweisung auf die Berechnung der Höhe nach liegt nicht vor (ebenso Zöller/Philippi, a.a.O., Rn 25 zu § 115 ZPO). Diese kann geschätzt werden, wobei Grundla...