ZPO §§ 103 ff.; RVG § 32
Leitsatz
Bestreitet die erstattungspflichtige Partei im Kostenfestsetzungsverfahren den von der erstattungsberechtigten Partei angesetzten Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren ihrer Prozessbevollmächtigten, so ist das Kostenfestsetzungsverfahren zunächst auszusetzen, bis über die Festsetzung des Gegenstandswertes bestandskräftig entschieden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010–6 W 21–23/10
Sachverhalt
Drei Klägerinnen hatten insgesamt 14 Beklagte als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 499.477,00 EUR in Anspruch genommen. Mehrere der Beklagten hatten daraufhin Widerklagen erhoben. Das Gericht hat die Klage abgewiesen und den Widerklagen stattgegeben. Die Kosten des Rechtsstreits hatten die Kläger zu tragen.
Daraufhin beantragten die Beklagten die Festsetzung ihrer Kosten, insbesondere der ihnen entstandenen Anwaltskosten. Dazu legten sie eine Rechnung ihrer Prozessbevollmächtigten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 100 Mio. EUR vor.
Im Kostenfestsetzungsverfahren bestritten die Klägerinnen den angesetzten Wert von 100 Mio. EUR. Sie waren der Auffassung, dass der Prozessvertretung der Beklagten derselbe Gegenstand zugrunde gelegen habe, weshalb eine Wertaddition nach § 22 Abs. 2 RVG nicht in Betracht komme, sondern nur eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV. Die Beklagten demgegenüber waren der Auffassung, dass verschiedene Gegenstände zugrunde lägen, so dass eine Erhöhung nach § 22 Abs. 2 RVG bis zum Höchstwert von 100 Mio. EUR anzunehmen sei.
Der Rechtspfleger hatte nach diesem Wert die angesetzten Kosten antragsgemäß festgesetzt.
Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Die Rechtsmittel sind auch begründet und führen gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung der jeweiligen Verfahren an das LG, da der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung mangels Zuständigkeit der Entscheidung der streitentscheidenden Rechtsfrage nicht berufen ist und hierfür zunächst ein – richterlicher – Beschluss des LG herbeigeführt werden muss.
Die Klägerinnen wenden sich nämlich gegen die angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse ausschließlich mit der Begründung, die Rechtspflegerin habe ihrer Entscheidung einen unzutreffenden (Anwaltsgebühren-) Streitwert zugrunde gelegt. Soweit sie diesen Einwand bereits in ihrer Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten erstmals geltend gemacht haben, liegt darin ein konkludenter Antrag gem. § 33 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. RVG auf förmliche Festsetzung eines von dem bereits Ende des angefochtenen Urteils festgesetzten Gerichtsgebührenstreitwert von 499.477.000,00 EUR abweichenden Anwaltsgebührenstreitwert auf 30 Mio. EUR unter Anwendung des § 42 Abs. 2 S. 1 RVG. Über diesen Antrag hätte die Rechtspflegerin aber mangels eigener Zuständigkeit nicht implizit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens selbst entscheiden dürfen, sondern diesen entsprechend § 11 Abs. 4 RVG zunächst aussetzen und eine richterliche Entscheidung der Zivilkammer über den Antrag auf Festsetzung des Anwaltsgebührenstreitwertes herbeiführen müssen. Erst auf der Grundlage eines derart festgesetzten Streitwertes hätte sodann über den Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten entschieden werden können.
Soweit die Rechtspflegerin dieses in verfahrensfehlerhafter Weise unterlassen hat, fehlt den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen nach wie vor die erforderliche Grundlage. Auch der Senat kann diesen Mangel nicht heilen, denn auch er ist für die Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung des Anwaltsgebührenstreitwertes nicht zuständig. Damit die erforderliche Festsetzung des Gebührenstreitwertes noch nachgeholt werden kann, müssen die angefochtenen Beschlüsse daher zunächst aufgehoben und die Verfahren an das LG zurückverwiesen werden, wo der zuständige Rechtspfleger zunächst das Erforderliche zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über den Streitwert herbeizuführen haben wird.
Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Die Frage des Gegenstandswertes ist für die Kostenfestsetzung vorgreiflich.
Wird also geltend gemacht, für die Anwaltsgebühren gelte ein abweichender Wert, der sich nicht nach dem Wert für die Gerichtsgebühren richtet, muss das Kostenfestsetzungsverfahren ausgesetzt und die Wertfestsetzung nach § 33 RVG zunächst vorgenommen werden.
Während die Kostenfestsetzung dem Rechtspfleger obliegt, ist zur Festsetzung des Gegenstandswertes das Gericht der jeweiligen Instanz zuständig.
Für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist dieses Vorgehen im Übrigen auch ausdrücklich in § 11 Abs. 4 RVG geregelt, worauf das OLG zutreffend hinweist. Diese Regelung ist entsprechend auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO anzuwenden.