BGB §§ 675, 667, 812
Leitsatz
An die Kostenfestsetzung im Bußgeldverfahren ist das Zivilgericht, das über den Honoraranspruch des Verteidigers gegen den Mandanten zu entscheiden hat, gebunden. Daher kann der Rechtsschutzversicherer aus übergegangenem Recht vom Anwalt gezahlte Vorschüsse zurückfordern, soweit diese die festgesetzten Kosten übersteigen.
AG Bremen, Beschl. v. 3.8.2010–23 C 191/10
Aus den Gründen
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung von 193,97 EUR nebst Zinsen.
Die Klägerin hat mit dem Beklagten eine vertragliche Vereinbarung mit dem Inhalt geschlossen, dass die Zahlung der von der Klägerin übernommenen Kosten von 703,98 EUR für die Tätigkeit des Beklagten im Bußgeldverfahren vor dem AG unter dem Vorbehalt der vollständigen Anerkennung durch die Staatskasse steht. Das diesbezügliche Angebot der Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2008 hat der Beklagte durch Entgegennahme der Zahlung, ohne dem Vorbehalt zu widersprechen, angenommen (vgl. BGH VersR 1972, 1141). Wegen dieser nachträglichen Abrede kommt es auf das Schreiben der Klägerin über die Erteilung des Deckungsschutzes nicht mehr an.
Soweit durch Kostenfestsetzungsbeschluss des AG die Kosten in Höhe der Klageforderung der Staatskasse nicht auferlegt wurden, kann die Klägerin aus der geschlossenen Vereinbarung die entsprechende Rückforderung von dem Beklagten verlangen.
Das Gericht schließt sich der überzeugenden Auffassung des LG Aachen in dem Urt. v. 28.10.2008 (7 S 85/08) an, dass sich der Beklagte hinsichtlich der Höhe des Kostenfestsetzungsbeschlusses an dessen Festsetzungen festhalten lassen muss. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob der Kostenfestsetzungsbeschluss fehlerhaft war oder nicht. Die Klägerin hat in dem genannten Schreiben vom 9.1.2008 ausgeführt, dass der Beklagte für den Ausgleich der Kostenrechnung Sorge zu tragen habe. Der Beklagten hätte es daher oblegen, den Kostenfestsetzungsbeschluss entsprechend der dort enthaltenen Rechtsmittelbelehrung mit der sofortigen Erinnerung binnen zwei Wochen anzufechten und all die im hiesigen Prozess vorgebrachten Erwägungen zum Umfang seiner Tätigkeit und Angemessenheit seiner Abrechnung im dortigen Erinnerungsverfahren vorzutragen. Da der Beklagte dies unterlassen hat, muss er sich eine entsprechende Kürzung seines Honorars anrechnen lassen (vgl. LG Aachen, a.a.O. m. w. Nachw. und unter Hinweis auf etwaige Schadenersatzansprüche gegen den Anwalt).
Dass der Mandant bzw. die Klägerin als Rechtsschutzversicherer nach entsprechender rechtlicher Aufklärung bzw. Mitteilung durch den Beklagten von einer Entscheidung zur Anfechtung abgesehen haben, ist von dem Beklagten nicht behauptet worden. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 9.1.2008 ihre Entscheidung bereits vorab mitgeteilt, dass der Beklagte für einen Ausgleich der von ihm angesetzten Kosten Sorge zu tragen habe.
Die Berufung war nicht gem. § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, insbesondere hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung, noch dient sie der Sicherung einer einheitlichen Rspr.
Anmerkung
Die beiden vorstehenden Entscheidungen sind unzutreffend. Eine Bindungswirkung besteht nicht.
Eine solche Bindungswirkung kann schon deshalb nicht bestehen, weil die Frage der Notwendigkeit im Rahmen der Kostenerstattung zum Teil anders zu beurteilen ist als die Erforderlichkeit im Rahmen der Rechtsschutzversicherung.
Der Mandant schuldet dem Anwalt diejenige Vergütung, die sich aus dem Anwaltsvertrag ergibt. Hiervon hat der Versicherer den Mandanten/Versicherungsnehmer freizustellen, solange dieser nicht überhöhte Kosten verursacht hat.
Ob der Versicherungsnehmer seine Kosten in voller Höhe erstattet erhält oder nicht, ist für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts und damit auch für den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers irrelevant. Es ist allgemein bekannt, dass nach einem Freispruch in Straf- und Bußgeldsachen in rechtswidriger Weise zutreffende Rechnungen aus fiskalischen Gründen gekürzt werden.
Hinzu kommt, dass mangels ausreichender Kenntnisse des Gebührenrechts häufig fehlerhafte Festsetzungen erfolgen, wie sich insbesondere aus der kaum noch zu überschauenden und völlig widersprüchlichen Rspr. ergibt.
Eine falsche Entscheidung im Erstattungsverhältnis kann jedoch nicht die berechtigten vertraglichen Ansprüche des Anwalts zu Fall bringen.
Eine andere Frage ist allerdings, ob der Anwalt seinem Mandanten nicht raten muss, alle Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen eine unzutreffende Festsetzung auszuschöpfen, um einen höchstmöglichen Erstattungsanspruch zu erhalten. Dies dürfte zu bejahen sein. Versäumt der Anwalt dies, dann hat er den Mandanten/Versicherungsnehmer zu einer Obliegenheitsverletzung verleitet, so dass er sich schadensersatzpflichtig gemacht hat und gegebenenfalls Vergütungsansprüche nicht durchsetzen kann, die bei Einlegung eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels erstattet worden wären.
Der Anwalt sollte daher bei unzutreffenden Festsetzungen grundsätzlich die zustehenden Rechtsbehelfe und Rechtsmittel ergre...