RVG VV Nr. 3200, Vorbem. 3 Abs. 3
Leitsatz
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3200 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 VV für die Vertretung in einem Gerichtstermin entsteht nur, wenn der Termin auch stattfindet. Dies setzt voraus, dass das Gericht, sofern der Termin nicht förmlich aufgerufen wird, zumindest konkludent mit dem Termin "begonnen" hat.
BGH, Beschl. v. 12.10.2010 – VIII ZB 16/10
Sachverhalt
Die Kläger hatten den Beklagten aus einem Wohnraum-Mietverhältnis auf Zahlung von 17.899,24 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das AG hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 26.11.2008 haben die Kläger die Rücknahme der Berufung erklärt. Dieser Schriftsatz ist als Telefax bei dem LG ausweislich der Sendekennung am 27.11.2008 um 9.13 Uhr eingegangen. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hat den Vorsitzenden der Zivilkammer kurz vor dem Termin telefonisch von der Berufungsrücknahme unterrichtet. Der Vorsitzende hat sodann den Termin vom 27.11.2008 aufgehoben. Aus einer dienstlichen Stellungnahme des Kammervorsitzenden ergibt sich, dass das Verfahren im Aushang vor dem Gerichtssaal nicht abgesetzt worden war, der Termin jedoch nicht aufgerufen, sondern der – sich selbst vertretende – Beklagte über die zwischenzeitlich eingegangene Berufungsrücknahme informiert worden ist.
Der Beklagte hat für das Berufungsverfahren die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr beantragt und dazu vorgetragen, er sei erst im Termin von der Berufungsrücknahme informiert worden; von einem am 26.11.2008 um 19.24 Uhr in seinem Büro eingegangenen Fax der Klägervertreterin mit der Mitteilung der Berufungsrücknahme habe er erst am Folgetag nach Rückkehr von dem Gerichtstermin Kenntnis erlangt.
Das AG hat die beantragte Terminsgebühr gegen die Kläger festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wenden sich die Kläger weiterhin gegen die Festsetzung der Terminsgebühr.
Anmerkung
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist auch begründet.
Das Beschwerdegericht hat – wie zuvor schon die Rechtspflegerin – zu Unrecht die vom Beklagten beantragte Terminsgebühr gegen die Kläger festgesetzt. Eine Terminsgebühr ist in der Berufungsinstanz nicht entstanden. Dies führt zur Herabsetzung der gegen die Kläger festzusetzenden Kosten um 727,20 EUR nebst Mehrwertsteuer.
Das Beschwerdegericht hat die Erstattungsfähigkeit der Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 VV mit der Begründung bejaht, der Beklagte habe, wie er anwaltlich versichert habe, bis zur Terminsstunde keine Kenntnis von der Berufungsrücknahme gehabt. Ob eine Terminsgebühr auch dann entstehe, wenn der Beklagtenvertreter zur Terminsstunde verhandlungsbereit erschienen sei, das Gericht die Sache aber wie hier wegen der zwischenzeitlich eingegangenen Berufungsrücknahme nicht mehr aufrufe, sei streitig. Um insoweit Zufälligkeiten zu vermeiden, sei nicht auf den Aufruf der Sache, sondern auf Zurechnungskriterien abzustellen. Vorliegend sei es den Klägern zuzurechnen, dass der Beklagte zur Terminsstunde erschienen sei.
Bei der Berufungsrücknahme per Fax am Vorabend des Termins gegen 19.24 Uhr habe die Prozessbevollmächtigte der Kläger unter Zugrundelegung üblicher Zeiten nicht mehr davon ausgehen können, dass der Beklagte rechtzeitig informiert werde. Gleiches gelte für ihre Anrufe am Folgetag bei Gericht.
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Terminsgebühr in Zivilverfahren entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts (außer für Besprechungen mit dem Auftraggeber). Was unter einem Termin i.S.d. VV zu verstehen ist, regelt das RVG nicht.
Da das Gesetz die Vertretung "in" einem der aufgeführten gerichtlichen Termine voraussetzt, legt der Wortlaut nahe, dass dieser Termin auch stattfinden muss. Ob ein Termin stattfindet, entscheidet das Gericht. Ein Gerichtstermin beginnt gem. § 220 Abs. 1 ZPO mit dem Aufruf der Sache durch das Gericht. Dabei reicht es aus, wenn der Termin nicht förmlich aufgerufen wird, sondern das Gericht konkludent mit dem Termin beginnt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 47, 49, 51). Hieran mangelt es indes im vorliegenden Fall. Nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters ist ein Aufruf der Sache nicht erfolgt. Ausweislich einer Aktennotiz des Kammervorsitzenden ist der Termin auch nicht "begonnen" worden. Eine Terminsgebühr konnte daher nicht entstehen.
b) An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass – wie hier – der gegnerische Anwalt in Unkenntnis der Berufungsrücknahme und der Terminsaufhebung zu der vorgesehenen Terminsstunde ersche...