FamFG § 78 Abs. 2; ZPO § 127 Abs. 2; RVG VV Nrn. 3335, 3502
Leitsatz
Wird einem Beteiligten zwar Verfahrenskostenhilfe bewilligt, jedoch die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten abgelehnt, so richtet sich der Wert einer hiergegen erhobenen Beschwerde oder Rechtsbeschwerde nach dem Wert der Hauptsache.
BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10
Sachverhalt
In einem Umgangsrechtsverfahren hatte das FamG dem Vater Verfahrenskostenhilfe bewilligt, allerdings die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte der BGH als unzulässig verworfen und den "Streitwert" auf 3.000,00 EUR festgesetzt. Die gegen die "Streitwert"-Festsetzung erhobene "Gegenvorstellung" des Vaters, mit der er eine Herabsetzung des Wertes erstrebte, hat der BGH zurückgewiesen.
Aus den Gründen
Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg, weil die Festsetzung des Streitwerts nicht zu beanstanden ist.
Nach § 45 Abs. 1 FamFG beträgt der Streitwert in einer Kindschaftssache, die das Sorgerecht, das Umgangsrecht oder die Kindesherausgabe betrifft, 3.000,00 EUR. Von diesem Wert war auch hier auszugehen.
1. Streiten die Parteien im Beschwerdeverfahren oder im Verfahren der Rechtsbeschwerde um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Verfahrenskostenhilfe.
Für das erstinstanzliche Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe oder die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO bestimmt § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Anm. zu Nr. 3335 VV ausdrücklich den Wert der Hauptsache als maßgeblich. Auf die Kosten, die eine Partei bei Bewilligung der begehrten Verfahrenskostenhilfe sparen würde, kommt es hingegen nur dann an, wenn das Interesse des Beschwerdeführers diesem Kosteninteresse entspricht. Dies ist etwa bei einer Beschwerde allein gegen die Höhe der Raten oder im nachträglichen Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO der Fall (vgl. Hartmann, KostG, 40. Aufl., VV 3335 Rn 18).
Das Interesse des Antragstellers an der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe entspricht aber auch im Beschwerdeverfahren regelmäßig dem Wert der Hauptsache (VGH München NJW 2007, 861 [= AGS 2007, 48]; zum früheren Recht vgl. OLG Koblenz JurBüro 1993, 423; LG Hannover MDR 1993, 391; OLG Frankfurt MDR 1992, 524; BayObLG JurBüro 1990, 1640). Der Grund dafür liegt darin, dass die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aus Sicht des Antragstellers notwendig ist, um das Verfahren überhaupt führen zu können. Ist die beantragte Verfahrenskostenhilfe in erster Instanz versagt worden, ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dass das Interesse des Antragstellers im Beschwerdeverfahren geringer sein sollte (a.A. VGH Baden-Württemberg NJW 2009, 1692 und VGH München RVGreport 2009, 397).
2. Nichts anderes gilt dann, wenn dem Antragsteller die begehrte Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde und sich die Beschwerde oder Rechtsbeschwerde allein gegen die abgelehnte Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten richtet.
Die Beiordnung in einem Verfahren, das keinen Anwaltszwang vorsieht, kommt nach § 78 Abs. 2 FamFG nur in Betracht, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, der Beteiligte das Verfahren also nicht selbst führen kann (Senatsbeschl. v. 23.6.2010 – XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427 Rn 12 ff. [= AGS 2010, 446]). Auch dann entspricht sein Interesse an der Beiordnung sowohl in erster Instanz als auch im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Beiordnung dem Interesse der Hauptsache.
Anmerkung
In der Sache ist die Entscheidung des BGH zutreffend. Macht ein Beteiligter geltend, er benötige einen Anwalt, weil er wegen der Schwierigkeit der Sache nicht selbst in der Lage sei, sein Begehren gerichtlich zu verfolgen, kommt die Ablehnung der Beiordnung einer Versagung seines Rechtsschutzes gleich, so dass wie in den Fällen der Anm. I zu Nr. 3335 VV auf den Wert der Hauptsache abzustellen ist.
Der BGH hat jedoch in beiden Beschlüssen übersehen, dass er gar nicht über den Wert hätte entscheiden dürfen.
Wie der BGH im Ausgangsverfahren dazu gekommen ist, eine Wertfestsetzung vorzunehmen, ist nicht nachvollziehbar.
- Eine Wertfestsetzung für die Zulässigkeit der Beschwer war nicht geboten, da für die Rechtsbeschwerde eine Mindestbeschwer nicht vorgesehen ist.
- Eine Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG kam ebenfalls nicht Betracht, weil im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach Nr. 1923 FamGKG-KostVerz. eine wertunabhängige Festgebühr erhoben wird.
- Ein Wert wird nur für die Anwaltsgebühren benötigt. Dieser heißt dann aber nicht "Streitwert", sondern "Gegenstandswert" (§ 2 Abs. 1 RVG). Zu einer solchen Festsetzung war der BGH aber auch nicht befugt, da diese Festsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag erfolgt und ersichtlich niemand einen solchen Antrag gestellt hat.
Dem jetzigen Beschluss lag eine Gegenvorstellung des Beteiligten zugrunde.
- Geht man davon aus, dass der BGH unzutreffenderweise e...