Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Beratungshilfe nach dem BerHG.

I. 1. Die Beschwerdeführerin, deren Lebensgefährte und die gemeinsame Tochter beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Antrag vom 22.7.2009 beantragte die Beschwerdeführerin Beratungshilfe für ein Widerspruchsverfahren. Im Antragsformular heißt es zum Gegenstand der beantragten Beratungshilfe: "Widerspruchsverfahren gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid d. ARGE v. 2.7.2009 über 1.357,68 EUR; Mand. hat alle Belege zu Unterkunftskosten eingereicht; dennoch erfolgte rückwirkend Aufhebung d. Unterkunftskosten, Anhörungsverfahren ohne Erfolg".

Die Rechtspflegerin wies den Beratungshilfeantrag zurück. Es lägen keine konkreten Umstände zur Notwendigkeit einer anwaltlichen Inanspruchnahme vor. Der Antragstellerin sei Selbsthilfe zumutbar. Eine Klärung des Sachverhalts hätte die Antragstellerin selbst führen können. Das Beratungshilfeanliegen habe bloß einfach gelagerte Tatsachenfragen aufgeworfen, so dass die anwaltliche Inanspruchnahme abzulehnen sei.

Mit der Erinnerung erklärte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin, dass es um die Klärung der Unterkunftskosten für den Zeitraum Mai/2008 bis Oktober/2008 gehe. Die ARGE fordere einen Betrag i.H.v. 1.357,68 EUR zurück, weil sie rückwirkend den geschlossenen Mietvertrag als nicht wirksam ansehe. Es gehe daher um die rechtliche Problematik, ob ein Mietverhältnis bestanden habe oder nicht, nicht um einfach gelagerte Tatsachenfragen.

Die Rechtspflegerin half der Erinnerung nicht ab. Das AG wies die Erinnerung sodann durch richterlichen Beschluss zurück. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats v. 11.5.2009–1 BvR 1517/08 [= AGS 2009, 374] – führte es aus, dass Beratungshilfe auch im Widerspruchsverfahren gewährt werden könne, wenn es sich um konkrete rechtliche Probleme handele, die der Antragsteller nicht mit eigenen Rechtskenntnissen lösen könne. Die Gewährung von Beratungshilfe scheide dagegen unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahrnehmungsgleichheit aus, wenn ein Bemittelter die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise nicht in Betracht zöge, etwa weil es sich um einfach gelagerte Tatsachenfragen oder um allgemeine Lebenshilfe handele, also etwa die Richtigstellung eines auch ohne Rechtskenntnisse durchschaubaren Sachverhalts. An diesen Grundsätzen gemessen scheide die Gewährung von Beratungshilfe vorliegend aus, weil die im Widerspruch geltend gemachten Einwendungen einfache Tatsachenfragen darstellten, nämlich die Frage des Abschlusses eines Mietvertrags, die selbst mit der Behörde hätte geklärt werden können. Hierüber sei gegebenenfalls Beweis zu erheben. Dass diese Thematik gegen den Regelfall schwierige Rechtsfragen aufwerfe, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.  Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG. Das AG gehe fälschlich davon aus, dass es sich bei dem dem Beratungshilfeanliegen zugrunde liegenden Sachverhalt um einen einfachen Sachverhalt handele, den die Beschwerdeführerin selbst mit der Behörde klären könne. Es sei vielmehr problematisch gewesen, ob der Mietvertrag rechtlich wirksam sei. Über besondere Rechtskenntnisse verfüge sie nicht. Im Übrigen sei die Sicherstellung des menschenwürdigen Lebens betroffen.

3.  Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II. 1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Grundsätze sind in der Rspr. des BVerfG geklärt (vgl. BVerfGE 122, 39, 48 ff.; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.5.2009–1 BvR 1517/08; NJW 2009, 3417 ff. [= AGS 2009, 374]).

2.  Die Verfassungsbeschwerde erweist sich danach als begründet. Das AG hat bei der Auslegung und Anwendung des BerHG Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Beschwerdeführerin auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG verkannt.

a)  Aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG folgt das Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des gerichtlichen wie außergerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 122, 39, 48 f.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.5.2009–1 BvR 1517/08 –, juris, Rn 21). Die Auslegung und Anwendung des BerHG obliegt zwar in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Entsprechend dem für die Prozesskostenhilfe geltenden Prüfungsmaßstab überschreiten die Fachgerichte jedoch dann den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei ...

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