ZPO §§ 91, 96; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 2, Abs. 5
Leitsatz
- Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens, wenn die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt.
- Ist der Auftrag für das selbstständige Beweisverfahren unter Geltung der BRAGO erteilt worden, der Auftrag für das Hauptsacheverfahren unter Geltung des RVG, ist die Prozessgebühr aus dem selbstständigen Beweisverfahren auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anzurechnen.
- Die Anrechnung erfolgt nur, soweit der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand des Rechtsstreits ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.2.2010 – I-24 W 68/09
Sachverhalt
Der Kläger, Zwangsverwalter der vermieteten Gewerberäume, nahm die Beklagten auf Schadensersatz wegen nicht ordnungsgemäßer Rückgabe des Mietobjekts in Anspruch. Ab Juni 2003 war auf Antrag des Vermieters ein selbstständiges Beweisverfahren zur Feststellung zahlreicher Schäden durchgeführt worden. Nach weiteren ergänzenden Beweisanträgen endete das Verfahren mit der Zustellung des von dem Sachverständigen erstatteten Gutachtens Ende August 2006. Der Streitwert des Verfahrens belief sich auf 2.000.000 EUR.
Die zunächst auf Zahlung eines Betrags von 70.000,00 EUR gerichtete, dann auf 35.046,00 EUR ermäßigte Klage wurde durch Urteil des LG wegen Verjährung abgewiesen. Die Kosten wurden dem Kläger auferlegt.
Die Erstbeklagte hat Kostenfestsetzung beantragt und neben den hier nicht umstrittenen Kosten des Rechtsstreits (Streitwert: 70.000,00 EUR) i.H.v. 1.478,90 EUR ihre außergerichtlichen Kosten im Beweisverfahren, Prozess- und Beweisgebühr berechnet nach einem Gegenstandswert von 2.000.000,00 EUR nebst Auslagenpauschale, mithin 15.012,00 EUR, angemeldet.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG – Rechtspfleger – neben den Kosten des Rechtsstreits von 1.478,90 EUR die außergerichtlichen Kosten im Beweisverfahren ebenfalls nach einem Wert von 70.000,00 EUR i.H.v. 1.220,00 EUR (nur Beweisgebühr nebst Auslagen) festgesetzt.
Auf die sofortige Beschwerde der Erstbeklagten, die für das Beweisverfahren nur noch Gebühren nach einem Streitwert von 1.770.000,00 EUR geltend macht, hat die Rechtspflegerin für das Beweisverfahren die beantragte Prozessgebühr (Wert 70.000,00 EUR) festgesetzt. Im Übrigen hat sie der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Zugunsten der Beklagten sind die Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten im Beweisverfahren in noch beantragtem Umfang von 13.812,00 EUR, mithin auf insgesamt 15.290,90 EUR, festzusetzen.
1. Zutreffend ist die Rechtspflegerin zunächst davon ausgegangen, dass die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens gehören und von der darin getroffenen Kostenentscheidung mit umfasst werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses identisch sind (BGH NZBau 2006, 374 = Rpfleger 2006, 338; NJW 2005, 294 [= AGS 2005, 24]). Eine Identität der Streitgegenstände i.d.S. liegt bereits dann vor, wenn nur Teile des Streitgegenstands eines selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden (BGH NZBau 2006, 374; NJW 2005, 294; 2004, 3121).
Davon, dass der Streitgegenstand des Hauptprozesses mit dem des Beweisverfahrens hier zumindest zum Teil identisch ist, ist das LG zutreffend ausgegangen. Unstreitig hat der Kläger einen Teil der im Beweisverfahren festgestellten Mängel zum Gegenstand seiner Schadensersatzklage gemacht.
2. Rechtsfehlerhaft meint die Rechtspflegerin aber, dass nur diejenigen Kosten eines nach einem höheren Wert durchgeführten Beweisverfahrens, die sich auf den Streitgegenstand der Hauptsache beziehen, festgesetzt werden dürfen, wenn die Streitgegenstände des Hauptprozesses und des Beweisverfahrens nur teilweise identisch sind. Denn die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens, wenn die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens zurückbleibt (BGH a.a.O., NJW 2005, 294).
So liegen hier die Dinge zum Nachteil des Klägers. Die gesamten Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind, obwohl der Gegenstand des Rechtsstreits erheblich beschränkt worden ist, als Kosten des Rechtsstreits gem. dem Kostenausspruch des Urteils des LG von dem Kläger zu tragen.
Entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin ist die Kostenfestsetzung zugunsten der Erstbeklagten nicht von einem Kostenausspruch der Zivilkammer in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO abhängig. Die Vorschrift, die einen Fall der Kostentrennung regelt, ist nur anwendbar, wenn der Kläger in der Hauptsache ganz oder teilweise obsiegt (vgl. BGH NZBau 2006, 374 m. w. Nachw.). Nur in diesem Fall kann das Bedürfnis bestehen, den Beklagten von ungerechtfertigten, vom Kläger veranlassten Kosten freizustellen. Hat der Kläger wi...