RVG § 48 Abs. 1
Leitsatz
Der beigeordnete Rechtsanwalt kann, wenn Prozess/Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde (hier: Umgangsvereinbarung in einem Gewaltschutzverfahren), insofern nur die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr – nicht auch einer Verfahrensdifferenzgebühr oder einer Terminsgebühr – verlangen.
OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2011 – 10 WF 6/11
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung eine Unterlassungsanordnung nach dem GewSchG. In der persönlichen Anhörung schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung über den Verfahrensgegenstand und darüber hinaus zum Umgangsrecht des Antragsgegners. Das AG bewilligte den Beteiligten Verfahrenskostenhilfe auch für den abgeschlossenen Vergleich. Außerdem setzte das AG den Gegenstandswert für das Verfahren auf 1.500,00 EUR und den Gegenstandswert für den Vergleich auf 4.500,00 EUR fest.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG. Dabei sind zunächst geltend gemacht worden:
Gegenstandswert: 1.500,00 EUR |
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1,3-Geschäftsgebühr |
136,50 EUR |
1,2-Terminsgebühr |
126,00 EUR |
Gegenstandswert: 3.000.00 EUR |
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0,8-Verfahrensgebühr |
139,10 EUR |
Gegenstandswert: 4.500,00 EUR |
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1,0-Einigungsgebühr |
212,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer |
120,38 EUR |
Summe |
753,98 EUR |
Das AG hat unter Nichtberücksichtigung der 0,8-Verfahrensgebühr und unter Berücksichtigung einer 1,5-Einigungsgebühr sowie entsprechender Anpassung der Umsatzsteuer insgesamt 714,60 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt und dabei seinen Festsetzungsantrag dahin korrigiert, dass nunmehr geltend gemacht werden:
Gegenstandswert: 1.500,00 EUR |
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1,3-Geschäftsgebühr |
136,50 EUR |
Gegenstandswert: 4.500,00 EUR |
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1,2-Terminsgebühr |
244,80 EUR |
Gegenstandswert: 3.000,00 EUR |
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0,8-Verfahrensgebühr |
139,10 EUR |
Gegenstandswert: 4.500,00 EUR |
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1,5-Einigungsgebühr |
318,00 EUR |
Post und Telekommunikationspauschale |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer |
163,80 EUR |
Summe |
1.021,38 EUR |
Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er die Festsetzung einer weiteren Vergütung i.H.v. 306,78 EUR begehrt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das AG hat zu Recht die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung ohne Berücksichtigung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV und der Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 VV für das in den Vergleich einbezogene Umgangsrecht festgesetzt.
Es ist zwar zutreffend, dass für den in einem Verhandlungstermin an einem Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt ein Anspruch gegen den Auftraggeber auf eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV entsteht, und zwar auch aus den einbezogenen Gegenständen, die bis dahin nicht in dem Verfahren geltend gemacht wurden (so genannter Mehrvergleich).
Unabhängig vom Entstehen der Gebührenansprüche als solcher bestimmt sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aber gem. § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den die Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält nach § 48 Abs. 4 S. 1 RVG für mit dem Hauptverfahren zusammenhängende Angelegenheiten nur insoweit eine Vergütung aus der Staatskasse, als er für sie ausdrücklich beigeordnet ist.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass neben der Einigungsgebühr von der Staatskasse die Festsetzung einer Verfahrensdifferenzgebühr verlangt werden kann (vgl. OLG München, Beschl. v. 18.3.2009 – 11 WF 812/09, FamRZ 2009, 1779 f.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 48 Rn 120). Nach anderer Auffassung umfasst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich neben der Vergleichsgebühr und der Verfahrensgebühr auch die Terminsgebühr aus dem Wert der in den Mehrvergleich einbezogenen Ansprüche (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 6.6.2006 – 14 W 328/06, FamRZ 2006, 1691; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.7.2009 – 2 WF 33/09, FamRZ 2009, 2114 ff.). Ferner wird vertreten, dass der beigeordnete Rechtsanwalt nur die Festsetzung einer Einigungsgebühr verlangen kann, wenn Prozesskostenhilfe für einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde (BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03, VersR 2005, 289; OLG Bamberg, Beschl. v. 8.5.2009 – 7 WF 41/09, JurBüro 2009, 592 f.; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.10.2009 – 13 W 46/09, FamRZ 2010, 400).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Anderenfalls würde die nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche Prüfung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung umgangen werden können. Die Erfolgsaussicht ist auch nicht in jedem Fall eines Vergleichsschlusses zwingend zu bejahen, weil die Beteiligten häufig zwischen ihnen unstreitige Sachverhalte protokolliert haben möchten, so dass ihre Einigung tatsächlich eine bloße Fe...