Ist einer Partei oder einem Beteiligten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, so hat dies nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zur Folge, dass die Partei oder der Beteiligte zunächst von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist und dass er von einem beigeordneten Anwalt nicht wegen der Rechtsanwaltsvergütung in Anspruch genommen werden kann (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
Kommt es in einem solchen Verfahren zum Abschluss eines Vergleichs, macht sich der beigeordnete Anwalt in der Regel kaum Gedanken. Seine Vergütung erhält er gem. §§ 45 ff. RVG aus der Landeskasse. Zwar erhält er ab einem Wert von 3.000,00 EUR nur geringere Gebühren; dafür hat er einen sicheren Schuldner.
Im Übrigen achtet der Anwalt häufig nur darauf, dass die Kostenquote dem Obsiegen und Unterliegen entspricht, damit die bedürftige Partei keinen zu hohen Erstattungsansprüchen ausgesetzt ist, von denen sie die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht befreit (§ 123 ZPO). Beliebt sind daher – insbesondere bei beiderseitiger Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe – Vergleiche, wonach die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, da dann keine Partei der anderen zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Erstaunlich ist allerdings, wie blauäugig die meisten Kollegen an solche Vergleiche herangehen und dabei noch nicht einmal ansatzweise erkennen, welches Haftungspotential dahinter steckt.
In regelmäßiger Folge haben wir an dieser Stelle Entscheidungen veröffentlicht, wonach die bewilligte Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bei Aufhebung der Kosten gegeneinander nicht davor schützt, von der Gegenpartei auf Erstattung der von ihr vorgelegten Gerichtskosten in Anspruch genommen zu werden.
Der vermögende Kläger verklagt die bedürftige Beklagte. Die Parteien schließen einen Vergleich, wonach die Kosten gegeneinander aufgehoben werden.
Von der eingezahlten 3,0-Gerichtsgebühr erhält der Kläger 2,0 Gebühren zurück. Diese kann er hälftig gegen die bedürftige Partei festsetzen lassen. Der Aufschrei ist häufig groß, weil der Anwalt dies vorab nicht bedacht hat und sich der Fehler anschließend nicht mehr korrigieren lässt.
Obwohl hier ein eindeutig ein Verschulden des Anwalts vorliegt, haben die meisten Anwälte keine Bedenken, der von ihnen vertretenen bedürftigen Partei die Kostenerstattung an den Gegner aufzugeben. Hier bewahrt in der Regel die Unkenntnis des Mandanten den Anwalt vor dem Regress.
Mit zwei weiteren in diesem Heft veröffentlichten Entscheidungen hat das OLG Frankfurt weitere Haftungsfälle aufgezeigt.
Danach kann die bedürftige Partei nämlich nicht nur vom Gegner auf Erstattung der Gerichtskosten in Anspruch genommen werden; sie kann, wenn sie in einem Vergleich freiwillig Kosten übernimmt, auch unmittelbar von der Staatskasse herangezogen werden.
In seiner zweiten Entscheidung geht das OLG Frankfurt sogar so weit, die bedürftige Partei hinsichtlich der von der Landeskasse gezahlten Vergütung in Regress zu nehmen, weil sie durch die Kostenvereinbarung verhindert, dass die Staatskasse bei der Gegenpartei Kostenerstattung aus übergegangenem Recht geltend macht.
In einer weiteren Entscheidung hat das OLG Hamm klargestellt, dass die irrtümliche Annahme, beim Abschluss eines Vergleichs mit der Vereinbarung der Kostenaufhebung könne die bedürftige Partei weder auf Gerichts- noch auf Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch genommen werden, nicht zu einer Irrtumsanfechtung des Vergleichs berechtigt, so dass die bedürftige Partei, wenn der Gegner nicht mitspielt, auf den Kosten letztlich sitzen bleibt. Anwälte, die – wie insbesondere in Familiensachen – regelmäßig mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfemandaten zu tun haben, die – wie insbesondere in Familiensachen – häufig mit einer Kostenaufhebung enden, sollten sich diese Entscheidungen einmal genau betrachten. Sie werden zukünftig von einer Kostenregelung im Vergleich Abstand nehmen.
Norbert Schneider