Die Entscheidung ist – jedenfalls mit dieser Begründung – falsch.
Es entspricht einhelliger Auffassung, dass Ansprüche, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, nachträglich noch im Wege der sog. Nachfestsetzung geltend gemacht werden können. Davon geht sogar der BGH aus.
Das gilt auch dann, wenn die Gebühren zunächst nach einem zu niedrigen Streitwert abgerechnet worden sind. Das Gesetz selbst regelt sogar ausdrücklich einen solchen Fall in § 107 ZPO.
Der BGH verkennt, dass es nicht im Ermessen oder Belieben eines Anwalts steht, einen höheren oder niedrigeren Gegenstandswert anzunehmen. Dies gilt erst recht, wenn ein gerichtliches Verfahren zugrunde liegt.
So wird von der Instanzrechtsprechung eine Nachfestsetzung auch bei irrtümlich zu niedrig angenommenem Streitwert zugelassen:
Auch nach Unanfechtbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer kann die erstattungsberechtigte Partei die Nachfestsetzung höherer Gebühren verlangen, wenn sie im abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren irrtümlich von einem zu niedrigen Streitwert ausgegangen ist.
BayOlG, Beschl. v. 6.2 2004 – Verg 25/03
Die wahren Probleme haben hier weder die Beteiligten noch der BGH erkannt.
Das Gericht hatte im zugrunde liegenden Insolvenzverfahren den Wert für die Gerichtskosten auf 11.079,69 EUR festgesetzt. Dieser Wert gilt nach § 28 RVG auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit. Daher liegt m.E. hier ein Fall des § 32 Abs. 1 RVG vor. Der Anwalt ist bei seiner Abrechnung und Kostenfestsetzung an den gerichtlich festgesetzten Wert gebunden. Will er nach einem höheren Wert abrechnen, muss er nach § 32 Abs. 2 i.V.m. § 68 GKG Streitwertbeschwerde einlegen.
Nun ließe sich auch hier argumentieren, dass keine Bindungswirkung bestehe, weil § 28 RVG insoweit eine selbstständige – wenn auch zum Teil mit dem GKG deckungsgleiche Regelung – enthalte. Dann wäre durch die gerichtliche Wertfestsetzung keine Bindungswirkung eingetreten.
Dann verstehe ich allerdings die Beteiligten nicht, wieso sie nicht die gerichtliche Wertfestsetzung nach § 33 RVG beantragt haben. Dies wäre nämlich der richtige Weg gewesen. Geht man davon aus, dass hier keine Bindungswirkung an die gerichtliche Wertfestsetzung bestand, dann hätte jeder Beteiligte nach § 33 Abs. 1 RVG die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren beantragen können. Dagegen wäre dann die Beschwerde und gegebenenfalls sogar die weitere Beschwerde möglich gewesen.
Die letztlich bestandskräftige Wertfestsetzung wäre dann aber auch für die Festsetzungsinstanzen – auch den BGH – bindend gewesen. Wäre ein höherer Wert festgesetzt worden, dann hätte die Nachfestsetzung durchgeführt werden müssen.
Wieso hier die Beteiligten den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht haben, nämlich eine Kostenfestsetzung eingeleitet haben ohne vorher eine Wertfestsetzung betrieben zu haben, ist nicht nachzuvollziehen. Ebenso wenig ist nachzuvollziehen, wieso die Festsetzungsinstanzen das Verfahren bis zum Abschluss der Wertfestsetzung nicht ausgesetzt haben. Im Wertfestsetzungsverfahren ist der Gegenstandswert bestritten worden. Daher ist – ebenso wie im Festsetzungsverfahren ausdrücklich geregelt (§ 11 Abs. 4 RVG) – auch im Kostenfestsetzungsverfahren in analoger Anwendung auszusetzen und der Ausgang des Wertfestsetzungsverfahrens abzuwarten. So zutreffend OLG Düsseldorf:
Wenn die erstattungspflichtige Partei im Kostenfestsetzungsverfahren den von der erstattungsberechtigten Partei angesetzten Gegenstandswert der Gebühren ihres Rechtsanwalts bestreitet, ist das Kostenfestsetzungsverfahren auszusetzen, bis über die Festsetzung des Gegenstandswertes bestandskräftig entschieden ist.
Norbert Schneider